taz.de -- Gewalt gegen Frauen in Südafrika: "Wir lieben unsere Minis"
Nach Übergriffen wegen ihrer Kleidung demonstrieren Frauen in Johannesburg – natürlich in Miniröcken. Und die ANC-Frauenliga stellt Forderungen an die Regierung.
JOHANNESBURG taz | Südafrikas junge Generation liebt Miniröcke. Doch wer sie trägt, muss mit Beschimpfungen oder sogar mit Gewalt rechnen. Zumindest in Gegenden wie der Johannesburger Innenstadt, in der Taxifahrer manchmal raue Sitten an den Tag legen. Als jüngst zwei Frauen in Miniröcken beleidigt und angegriffen wurden, gingen sie zur Polizei. Das nahm die Frauenliga des regierenden ANC (Afrikanischer Nationalkongress) zum Anlass, eine Massendemonstration zu organisieren.
"Wir sind ein freies Land und haben das Recht, zu tragen, was wir möchten", forderten die Demonstranten. "Wir tragen unsere Miniröcke überall! Niemand kann uns aufhalten." Mitglieder von Frauenorganisationen nahmen - natürlich in Miniröcken - teil, auch der Gewerkschaftsbund und die Kommunistische Partei.
Justizminister Jeff Radebe wurde aufgefordert, Vergewaltigungsprozesse zu beschleunigen und Opfer ernst zu nehmen. Gewalt gegen Frauen ist tägliche Realität in Südafrikas Gesellschaft.
"Wir können solche Übergriffe auf Frauen nicht länger tolerieren", sagt Troy Martens, Sprecherin der ANC-Frauenliga in Johannesburg, zur taz. Die Liga will sogar mit einem neuen Entwurf zur Gleichberechtigung beim ANC-Parteitag im Dezember mehr Druck machen, Frauen vor Gewalt zu schützen.
Das Problem: "Südafrika hat die fortschrittlichsten Gesetze, doch das dringt nicht durch bis zu dem einfachen Mann auf der Straße", sagt Martens. Die Zahlen zu Vergewaltigung und häusliche Gewalt in Südafrika zählen zu den höchsten in der Welt.
Übergriffe und Beleidigungen
##
Im Dezember waren die beiden Frauen in Noord Street an einem Minibusstand von wartenden Taxifahrern "angemacht" worden. Sie wurden berührt, beleidigt und mit Handys fotografiert. An dem gleichen Ort war zuvor eine Frau mit Minirock gezwungen worden, sich bis auf ihre Unterwäsche auszuziehen, berichtet Martens.
Die oft aus traditionellen oder ländlichen Gebieten kommenden Männer rufen gerne "Bitch", wenn sie knapp bekleidete Frauen sehen. Viele fühlen sich eingeladen, sich an ihnen zu vergehen. Die zwei jungen Frauen waren mutig, überhaupt Anzeige zu erstatten.
"Jeder kann in Südafrika anziehen, was er will. Für Männer, die rückständig denken, ist kein Platz", sagte jetzt Justizminister Radebe. Aber Denkweisen zu ändern dauert lange.
Frauenministerin Lulu Xingwana hat gedroht, den fraglichen Taxistand zu schließen, sollte sich derartige Verhaltensweisen weiter durchsetzen. Doch die Polizei konnte nicht einmal feststellen, welche Männer in den Vorfall verwickelt waren.
21 Feb 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Anene Booysens war 17, als eine Gruppe von Männern sie vergewaltigte und mit aufgeschlitztem Bauch zurückließ. Der Fall ähnelt dem in Indien.
Eine Klage läuft gegen den Konzern in den USA wegen Verstößen gegen die Menschenrechte in Südafrika. Und das zu Zeiten des dortigen Apartheid-Regimes.
Mit dem größten Streik seit Jahren machen Gewerkschaften und Linke gegen den ANC-Präsidenten mobil. Mit von der Partie ist der geschasste Jugendführer Julius Malema.
Der Protest der ANC-Frauen ist längst überfällig: Übergriffe auf Frauen in Miniröcken gehören wie das Geschlechterverhältnis zu den großen Tabus. Endlich tut sich was.
Eine neue Welle von Gewalt gegen Ausländer erschüttert schwarze Armenviertel. Aufgebrachte Schlägertrupps wüten in Dörfern und steinigen einen Simbabwer.
Die ANC-Jugendliga will Teenie-Schwangerschaften reduzieren und debattiert eine Verhütungspflicht. Die verbreitete sexuelle Gewalt an Kindern ist aber nicht Thema.
Eine 24-jährige Lesbenaktivistin wird in einem Township vergewaltigt und brutal ermordet – kein Einzelfall, sondern ein neues Beispiel von "corrective rape".