taz.de -- Planungen in Südafrika: Der Tag, an dem Mandela stirbt

Südafrikas Journalisten bereiten sich auf den Tod ihrer 93-jährigen Befreiungsikone Nelson Mandela vor. Auch, wenn sie damit gegen ein kulturelles Tabu verstoßen.
Bild: Noch lebt Nelson Mandela – doch die Presse plant bereits für den Tag X.

Er ist angeblich geheim, der M-Plan. Einige wenige Journalisten mit guten Regierungsverbindungen kennen die Einzelheiten. Die anderen machen trotzdem eigene Pläne für das angeblich größte Medienspektakel neben der Beerdigung des Papstes: Wenn der 93 Jahre alte Nelson Mandela stirbt, wird die Weltöffentlichkeit mindestens eine Woche lang mit Bildern und Eindrücken rund um die Uhr versorgt werden.

So lange soll das Abschiednehmen von dem verehrten Befreiungshelden und Expräsidenten Südafrikas dauern, bis er an seinem Heimatort in der Ostkap-Provinz begraben wird. Schon seit Langem haben die größten Fernsehsender der Welt für dieses Ereignis Gebäude angemietet, Übertragungsrechte gesichert und logistische Abläufe festgelegt. Mit einer Unbekannten: dem Tag X.

Die Presse wird in Südafrika mit Geiern verglichen, getrieben vom Wettbewerb um die besten Bilder und höchsten Einschaltquoten. Entsprechend hoch schlugen die Wellen der Empörung, als vor wenigen Monaten versteckte Kameras im Nachbarhaus von Mandelas Ruhewohnsitz in Qunu entdeckt worden waren. Dort verbringt der fragile alte Mann mehr und mehr Zeit.

Auf Anfrage der Nachrichtenagenturen Associated Press und Reuters hatte seine Nachbarin, die Stammesführerin Nokwanele Balizulu, offenbar erlaubt, Kameras in ihrem Haus zu installieren. Ob sie dafür bezahlt wurde oder nicht, ist nicht bekannt. Aber es ist illegal, denn Mandelas Haus wird als nationales Sicherheitsobjekt betrachtet. „Mandela bespitzelt“, titelten örtliche Zeitungen.

Doch AP und Reuters streiten ab, dass die Kameras angeschaltet waren. „Es waren keine Überwachungskameras“, sagte AP-Sprecher Paul Colford. AP habe, wie alle anderen Medien, einfach vorbereitet sein wollen für den Fall eines „Events“, das den früheren Präsidenten involviere. Vor dem Tod von Papst Johannes Paul II. habe man ähnliche Vorkehrungen außerhalb des Vatikans getroffen. Doch Vorgespräche zum Ablauf der Berichterstattung über den Tod Mandelas, der von Journalisten bei der Planung häufig schlicht „Event“ genannt, ist in der traditionellen Kultur Südafrikas verpönt.

Der vorgefertigte Nachruf - ein Kulturbruch

Die Regierung mauert seit Jahren, vorab Einzelheiten über den Ablauf der Feierlichkeiten an die Presse zu geben – auch weil sie befürchtet, dass Panik ausbricht und sich schon vor seinem Tod Gerüchte verbreiten. „Wir sprechen in unserer Kultur nicht über den Tod eines Menschen, der noch lebt“, sagt Regierungssprecher Jimmy Manyi. Südafrika hat Angst vor dem Tag des Ereignisses. Doch gleichzeitig möchte das Land auch mit einer angemessen Berichterstattung über den Tod der Ikone Mandela glänzen.

„Die Journalistin in mir glaubt, es ist vorausschauendes Planen, aber die Bürgerin in mir bekommt natürliche Angst, diesen Mann zu verlieren“, sagt Ferial Haffajee, Chefredakteurin von der Tageszeitung City Press. „Aber in afrikanischer Kultur sprechen wir nicht über den Tod von jemandem, planen dafür nicht vor und bringen auf keinen Fall viele Kameras ins Spiel.“

Trotzdem macht jede Medienorganisation ihre eigenen teils kostenintensiven Pläne, denn am Todestag bleibt dafür keine Zeit. Es ist alles einkalkuliert – sowohl für den Fall, dass Mandela in seinem Wohnort Johannesburg stirbt, als auch für seinen Tod in Qunu. Filmemacher haben schon vor Jahren sein Lebenswerk sendefertig aufbereitet. Und jeder Journalist hat den Nachruf auf den Helden des 20. Jahrhunderts in der Schublade liegen.

29 Feb 2012

AUTOREN

Martina Schwikowski

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