taz.de -- Weitere Forderungen der Troika erfüllt: Athen kürzt Sozialleistungen drastisch
Das griechische Parlament in Athen beschließt mit großer Mehrheit umfangreiche Haushaltseinsparungen. Die Kürzungen betreffen unter anderem Lohn-, Renten- und Sozialleistungen.
ATHEN afp/dapd | Das griechische Parlament hat am Dienstagabend weiteren von den Gläubigern des hochverschuldeten Landes verlangten Haushaltskürzungen zugestimmt. Eine Mehrheit von 202 der 283 anwesenden Abgeordneten stimmten Einschnitten in Höhe von 3,2 Milliarden Euro für das Jahr 2012 zu.
80 Abgeordnete stimmten dagegen, es gab eine Enthaltung. Die von der Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank geforderten unpopulären Sparmaßnahmen sehen unter anderem Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen vor.
Im insgesamt 300 Abgeordnete zählenden Parlament verfügen die Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) und die konservative Nea Dimokratia (ND) zusammen über 193 Sitze. Die beiden Parteien stellen die Regierung unter dem früheren Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos.
Die verabschiedeten Einschnitte sind die Voraussetzung dafür, dass Athen weitere Notkredite in Höhe von 130 Milliarden Euro erhält und die privaten Gläubiger Griechenland Schulden in Höhe von 107 Milliarden Euro erlassen.
Die privaten Gläubiger - Banken, Versicherungen und Hedgefonds - sollen in den kommenden Tagen ihre griechischen Schuldscheine in neue Anleihen mit längeren Laufzeiten und geringeren Zinsen umtauschen. Die Zeit drängt, denn bis zum 20. März muss die Regierung in Athen Schulden in Höhe von 14,5 Milliarden Euro tilgen. Ohne finanzielle Unterstützung ist Griechenland dazu nicht in der Lage.
Kürzungen bei Renten und der Gesundheitsversorgung
Die Abstimmung im griechischen Parlament erfolgte rechtzeitig vor dem Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag in Brüssel, bei dem die Umsetzung der Sparpolitik durch Athen überprüft werden soll. Für Mittwoch ist eine weitere Abstimmung im Eilverfahren über Kürzungen im Gesundheitswesen und bei den Zusatzrenten vorgesehen.
Die griechischen Gewerkschaften haben aus diesem Anlass zu einer dreistündigen Arbeitsniederlegung aufgerufen. Sie findet im Zuge eines europaweiten Aktionstags gegen die Kürzungspolitik in der Europäischen Union statt.
Derweil hat Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker eine Aufstockung der europäischen Rettungsschirme in Aussicht gestellt. "Bis Ende März werden wir eine Entscheidung haben, dass wir ESM und EFSF parallel auf der Strecke behalten", sagte Juncker der Zeitung Die Welt (Mittwochausgabe) laut Vorabbericht. Damit stünden dann beide Instrumente und bis zu 750 Milliarden Euro zur Verfügung.
Jucker sagte, er rechne damit, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM, der im Juli in Kraft treten soll, früher als geplant seine volle Schlagkraft bekommt. "Wir werden wohl früher schon eine Entscheidung darüber treffen, dass die Bareinzahlungen der Staaten nicht auf fünf Etappen verteilt werden, sondern auf zwei", sagte der Vorsitzende der Euro-Gruppe.
29 Feb 2012
ARTIKEL ZUM THEMA
Seit November streiken die griechischen StahlarbeiterInnen wegen deutlicher Gehaltskürzungen. Die Demonstranten, zu denen auch Panajotis Katsaros zählt, wollen die Regierung austauschen.
Beim Schuldenschnitt für Griechenland müssen Kreditausfallversicherungen nicht zahlen. Investoren dürften sich nicht über diese Nachricht freuen.
Nach den Kürzungen von Mindestlohn und Rente durch das Parlament legen die Gewerkschaften in Athen den Verkehr lahm. Die Sparmaßnahmen treffen auch den Gesundheitsbereich.
Neuwahlen helfen Griechenland nicht aus der Krise. Die einzige Lösung ist, bürgernahe und offene Entscheidungen zu treffen. Das kann nur das Europäische Parlament.
Gregor Gysi fodert für Griechenland „Marshall“ statt „Versailles“. Die Grünen finden Gysi sei „entgleist“ – doch das ist er keineswegs.
Das Urteil aus Karlsruhe wird weit über den konkreten Fall hinaus Bedeutung haben. Das Parlament darf seine Befugnisse nur delegieren, wenn es gar nicht anders geht.
Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) beurteilt den geplanten Schuldenschnitt Griechenlands sehr kritisch und befürchtet Zahlungsausfälle. Auch die EZB reagiert.
Helmut Kohl hat in der Diskussion um Hilfen für Griechenland "mehr und nicht weniger" Europa gefordert. Gerade jetzt dürfe "das Ziel des geeinten Europas" nicht aus den Augen verloren werden.
Das wichtigste Recht der Parlamente wird geopfert: Haushalte zu verabschieden. Das Europa, das Merkel vorschwebt, wird ungleicher sein, nicht etwa gleicher.