taz.de -- Urteil zu Gentechnik: Lästig und teuer
Verunreinigte Saaten wurden zu Recht vernichtet, so das Bundesverwaltungsgericht. Ein Urteil des hessischen Verwaltungsgerichts ist damit aufgehoben.
FREIBURG taz | Felder, auf denen gentechnisch verunreinigtes Saatgut angebaut wurde, müssen auch weiterhin auf Kosten der Bauern untergepflügt werden. Das entschied am Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig. Umweltverbände begrüßten das Urteil.
In Deutschland ist zurzeit nur eine einzige gentechnisch veränderte Pflanze zum Anbau zugelassen, die Kartoffel „Amflora“. Alle anderen gentechnisch veränderten Pflanzen dürfen nicht angebaut werden. Das heißt: Wenn sich in Saatgut leichte Verunreinigungen mit gentechnisch veränderten Organismen finden, dann darf dieses Saatgut nicht verwendet werden. Die Behörden stellen dann fest, welche Bauern das Saatgut gekauft haben und fordern sie auf, bereits bebaute Flächen unterzupflügen und mit Unkrautbekämpfungsmitteln zu besprühen.
Für die Bauern ist das lästig und teuer. Sie können zwar versuchen, von den Saatguthersteller Schadensersatz zu bekommen, doch teilweise zieren sich diese und sagen, die Behörden hätten zu langsam reagiert, weshalb der Staat den Schaden tragen solle.
Immer wieder klagten deshalb Bauern direkt gegen die Anordnung zur Vernichtung von Pflanzen aus verunreinigtem Saatgut. Bisher unterlagen sie fast immer vor Gericht. Nur der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel entschied Anfang 2011, dass die Pflanzen stehen bleiben können, wenn der Bauer „nicht bewusst und gewollt“ gentechnisch verunreinigtes Saatgut nutzte.
Umweltverbände wie der BUND waren alarmiert. Sie befürchteten, dass nun „wilde unkontrollierte und unkontrollierbare Freisetzungen“ von gentechnisch veränderten Pflanzen die Regel werden. Der VGH habe den Saatgutfirmen eine „Lizenz zur Verunreinigung“ gegeben. Eine gentechnikfreie Landwirtschaft sei in Deutschland dann kaum noch möglich. Auch das Land Hessen ging in Revision. Mit Erfolg.
Das Bundesverwaltungsgericht hob gestern die VGH-Entscheidung auf. Die Anordnung zum Unterpflügen von Feldern mit verunreinigtem Saatgut sei rechtmäßig. Es komme nicht darauf an, ob dem Landwirt die Verunreinigung bekannt war, so die Leipziger Richter.
29 Feb 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Handel mit den Samen alter Pflanzensorten bleibt mit dem EU-Urteil weiter eingeschränkt. Die französischen Kläger hatten auf eine Aufhebung des Verbots gehofft.
Nach einem Urteil des EU-Gerichtshofes dürfen europäische Bauern Saatgut aus alten, nicht zugelassenen Pflanzensorten herstellen und vertreiben. Zuvor hatte ein industrieller Hersteller geklagt.
Eine Kamera erkennt aufsprießendes Unkraut und vernichtet es per Laserstrahl. Dieses System wird von Wissenschaftlern in Hannover getestet. Aber es gibt noch einige Probleme.
Er ist Protagonist des Protestfilms „Raising Resistance“, Bauer zwischen Gentechnikfarmern und kein Freund von Waffen und gespritzten Pflanzen. Geronimo Arevalos im Interview.
Der Handel mit Genmais ist in Polen verboten, der Anbau nicht – das schafft Schlupflöcher. Nun ist auch ein deutsches Unternehmen in die Kritik geraten.
Imker müssen selbst darauf achten, dass ihre Bienen keinen Pollen von genmanipulierten Pflanzen sammeln. Das hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden.
Auf dem Hof von Paul Schockemöhle in Mecklenburg-Vorpommern will ein Pharmakonzern einen mittels Gentechnik hergestellten Impfstoff testen. Die Bevölkerung protestiert.
Um künftig den Welthunger stillen zu können, muss an vielen Stellen geschraubt werden. Die Gentechnik wird kaum mehr als Allheilmittel gesehen.
Gentechnikgegner sollten verurteilt werden, weil sie Biokartoffeln auf ein Versuchsfeld mit Genpflanzen warfen. Doch das Gericht sprach die Aktivisten frei.
Der Wissenschaftler baut in Osnabrück Sojabohnen an, um herauszufinden, ob sie mittelfristig Europas Protein-Mangel decken können.
Ursula Gundert-Remy hat jahrelang einen Lobbyverband der Nahrungsmittelindustrie beraten. Jetzt bewertet sie als Expertin der EU den Süßstoff Aspartam. Geht das?