taz.de -- Kommentar Warnstreiks öffentlicher Dienst: Der Wert von 100 Euro

Die Beschäftigen brauchen das Geld nicht unbedingt, um sich teurere Klamotten zu leisten. Private Rücklagen sind nötig, um später niedrige Renten auszugleichen.

Es sind bekannte Bilder, aber in diesem Jahr könnte es ein wenig anders werden als sonst. In Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland stand am Montag der Nahverkehr still, Kitas und Ämter blieben geschlossen.

Die Warnstreiks, zu denen die Gewerkschaft Ver.di anlässlich der laufenden Tarifrunde rund 10.000 Beschäftigte mobilisiert hat, treffen wie immer die BürgerInnen. Doch die moralische Rechtfertigung für den Arbeitskampf dürfte Ver.di in diesem Jahr leichter fallen. Und das nicht nur, weil die Konjunkturdaten noch relativ gut und die Erwerbslosenzahlen gesunken sind.

In Tarifrunden geht es um Geld. 100 Euro mehr oder weniger, zum Beispiel, können in einer Einkommensklasse von 1.600 Euro netto sehr viel ausmachen. Die Beschäftigten brauchen das Geld nicht unbedingt, um sich teurere Klamotten oder ein besseres Auto zu leisten.

Die Arbeitsentgelte sind vielmehr ein Politikum geworden, weil man sich mit diesem Selbstverdienten heute auch soziale Sicherheit kaufen muss: Private Rücklagen sind nötig, um später niedrige Renten auszugleichen und Gesundheitsleistungen bezahlen zu können. Erst recht in einer Zeit, in der Frauen, im öffentlichen Dienst überproportional vertreten, eben nicht mehr automatisch auf den gutgestellten Ehemann setzen können.

Das alte Argument der Arbeitgeber, wonach man im öffentlichen Dienst doch immerhin einen sicheren Job habe, zieht nicht mehr, zumal ErzieherInnen und KrankenpflegerInnen heute händeringend gesucht werden, aber im höheren Alter häufig auf Teilzeit reduzieren und damit auf Einkommen verzichten, weil sie den Vollzeitjob nicht mehr schaffen.

Die Post hat bereits mit 4 Prozent plus abgeschlossen. Bei Bund und Kommunen ist ebenfalls ein höherer prozentualer Abschluss drin. Und eine Mindesterhöhung für die unteren Entgeltgruppen, auch jetzt wieder von Ver.di gefordert, sollte sich Gewerkschaftschef Frank Bsirske in den Verhandlungen nicht abkaufen lassen.

5 Mar 2012

AUTOREN

Barbara Dribbusch

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