taz.de -- Kommentar Deutschland und Iran: Beim Ernstfall versagt

Deutschland darf die Unabhängigkeit bei Entscheidung zu militärischen Interventionen nicht abgeben. Im diplomatischen Ernstfall Iran ist das bereits geschehen.

Die gute Nachricht ist: Noch gibt es keinen Krieg. Noch ist alles möglich, auch dass sich die Beziehungen zwischen Israel und dem Iran wieder stabilisieren. Wie ernst die Situation eingeschätzt wird, ist dem Schweigen der Bundesregierung zu entnehmen.

Es zeigt: Nicht nur ein Krieg im Nahen Osten ist möglich – Deutschland würde sich auch dazu verhalten müssen. Spielraum für eine eigenständige Entscheidung in einem solchen Konflikt gibt es nicht.

Angela Merkels Aussage vor der Knesset, dass die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson gehöre, zwingt die Kanzlerin zur Solidarität – ohne Abstriche. Selbst dann, wenn ein Angriffsschlag Israels von der Bundesregierung als voreilig oder unberechtigt eingestuft würde.

Zudem hat Deutschland mit Westerwelles „Nein“ beim Libyeneinsatz auch außerhalb Israels ohne Not diplomatische Manövrierfähigkeit verloren: Einem internationalen Bündnisfall Iran kann sich Deutschland nicht entziehen.

Seit fast zehn Jahren ist Deutschland militärisch im Nachbarland Afghanistan aktiv. Ein Einsatz, dessen Ende erst seit Beginn des Jahres absehbar ist. Ob etwas gut war an dem Einsatz, wird man erst in Jahren beurteilen können. Heute ist nur klar – und auch das zeigt der Konfliktfall Iran – dass Deutschlands militärische Aktivitäten im Ausland nicht mit dem Einsatz am Hindukusch enden werden. Auch wenn die Mehrheit in der Bevölkerung sich das wünscht.

Interventionen Deutschlands wird es häufiger geben, man wird sich daran gewöhnen. Die Bundeswehrreform schafft die technische Voraussetzungen. Die Unabhängigkeit einer Entscheidung zu zukünftigen Intervention darf Deutschland dabei nicht abgeben. Im diplomatischen Ernstfall Iran ist das leider bereits geschehen.

8 Mar 2012

AUTOREN

Repinski

ARTIKEL ZUM THEMA

Der iranische Präsident im ZDF-Interview: Ahmadinedschad bleibt sich treu

In einem Interview mit dem ZDF zeigt der iranische Präsident im Atomstreit keine Kompromissbereitschaft. Er streitet ab, dass der Iran eine Atombombe bauen will.

Überweisungsblockade: EU geht Iran ans Geld

Ab Samstag werden alle Überweisungen an iranische Banken und Unternehmen blockiert. Das kommt dem Ende fast aller internationalen Geschäfte mit dem Land gleich.

Iranischer Atomkonflikt: Deutschland muss Farbe bekennen

Der Streit ums iranische Atomprogramm dominiert die deutsche Sicherheitspolitik. Über den Ernstfall wird geschwiegen. Was aber, wenn die Verhandlungen scheitern?

Gernot Erler über Israel und Iran: "Israel bereitet sich vor"

Frieden durch Aufrüstung? Das Angebot, Waffen an Israel zu liefern, vergrößert den diplomatischen Spielraum, sagt der SPD-Politiker Gernot Erler.

Netanjahu in Washington: Das Nein zum Krieg ist leise

Rund 100 FriedensaktivistInnen stehen vor der Tür und protestieren gegen einen Irankrieg, als Israels Premier vor 13.000 Gästen der Israel-Lobbygruppe AIPAC spricht.

Israel will den Präventivschlag gegen Iran: Vom kleinen und großen Teufel

Die USA wollen Sanktionen und Verhandlungen mit den Mullahs noch Zeit einräumen. Israels Premier Netanjahu möchte das iranische Atomprogramm bombardieren.