taz.de -- Fußball-Bundesliga: Motorpsycho in der Kurve
Köln spielte 1:0 gegen Hertha BSC. Dabei gab es Rote Karten, frei drehende Funktionäre und einen Trainer als Derwisch: Am Rhein regiert endlich wieder der Wahnsinn.
Während in Bayern katalanische Verhältnisse herrschen, ist in der heiligen Stadt Köln am Rhein wieder der ganz normale Wahnsinn ausgebrochen. Ein Wahnsinn, der zunächst auf dem Platz stattfand, wo sich zwei eher rumpelfüßige Abstiegskandidaten gegenseitig in den Abgrund zu ringen versuchten, dann auf den Rängen, wo sich die Menschen benahmen wie „bei einem Rockkonzert“, und schließlich in den verantwortlichen Zentralen des lustigen Vereins. Aber der Reihe nach.
Der Eff-Zeh spielte also gegen die Hertha, diesen schwankenden Kahn aus der Hauptstadt, befehligt von einem Greis und gesteuert von einem schielenden Navigator, oder umgekehrt, man weiß es ja gar nicht mehr so genau. Da war viel von einem königlichen Retter die Rede, dessen 1:0-Fußball ein aktuelles Pleiteland mal zum Europameister machte. Hinten dicht, und vorn geht mal irgendein Kopfball rein, das war ja schon immer der Plan gewesen, der königliche.
Diesmal hatte ein sehr gut aufgelegter Michael Rensing („Das war das geilste Spiel, seit ich hier in Köln aktiv bin“), der ebendiesen einen Hubnik-Kopfball entschärfte, etwas dagegen. Auf der anderen Seite half dann der Mann an der Linie, der bei Clemens’ goldenem Tor das Abseits übersah. Statt 1:0- gab es Berliner 0:1-Fußball. Und damit nahm der Wahnsinn seinen Lauf.
Der Wahnsinn bedeutete nämlich, dass eine eigentlich schwache Kölner Truppe endlich wieder über sich hinauswuchs. Novakovic lieferte sich ein Privatduell mit dem anderen Ex-Bayern im Tor, Thomas Kraft. Podolski versuchte sich als Mischung aus Xavi und Iniesta und versorgte alle da vorn mit grenzgenialen Pässen.
Eine Spielphase mit vielen bunten Karten
Jajalo, just eingewechselt, hämmerte den Ball erst knapp am Gestänge vorbei und trat dann die nächste Phase des Spiels los, die mit vielen bunten Karten zu tun hatte: Erst gab es dann auch Rot für ihn, dann Gelb wegen eines Frustfouls für Kobiashvili, der sich auch noch mit Podolski anlegte und dann ebenso schnell in die Dusche durfte. Und Prinz Poldi hatte wohl einige „polnische Schimpfwörter“ (so der „Sportschau“-Kommentar) parat, weswegen er gleich folgen konnte.
Nach dem Spiel, das irgendwie logisch zu Ende ging, nämlich ohne den verdienten Ausgleich für die Hertha (die ist dafür einfach nicht das Team), sprang dann der Funke über. Erst auf den Trainer Solbakken, der trotz Herzschrittmachers mehr Adrenalin ausschüttete als zehn sich vom Dom stürzende Bungeespringer und wie ein Irrwisch vor der Südkurve feierte, dann auf den Vorstand, der sich noch am Abend vom Modell „Breisgauer Fußballpädagogik“ in Person von Sportdirektor Finke trennte.
Wäre ja auch langweilig, wenn alles harmonisch wäre beim FC. Dass sich hier einmal der Trainer durchsetzt – in Sachen Personalplanung, auch rund um den anstehenden Poldi-Transfer nach London hatte es wohl ’ne Menge Knies gegeben –, ist allerdings tatsächlich erwähnenswert. „Motorpsycho“ Solbakken hat jedenfalls nicht umsonst vor der Kurve gefeiert.
11 Mar 2012
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