taz.de -- Kommentar zu Wowereits Flugstunde: Das richtige Maß geht verloren

Amtsmissbrauch von Politikern zu sanktionieren obliegt nicht Volkes Stimme sondern unabhängige Richtern.
Bild: Erteilt der Opposition schon wieder Lehren: Klaus Wowereit (SPD).

Selten musste man Klaus Wowereit so Recht geben wie in der aktuellen Debatte darüber, was Spitzenpolitiker dürfen und was nicht. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in ein Klima geraten, wo ganz normale gesellschaftliche Kontakte nicht mehr möglich sind“, hat der Regierende Bürgermeister am Dienstag gesagt. Leider scheinen wir auf dem besten Weg zu sein, selbst guten Freunden 150 Euro für eine Übernachtung zahlen zu müssen, wie es vor Monaten in einem Interview mit dem damaligen Bundespräsidenten eine ZDF-Journalistin nahelegte.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Amtsträger, die ihre Macht missbrauchen und Vorzüge gegen Vergünstigungen gewähren, gehören bestraft. Aber dafür ist in Deutschland immer noch eine unabhängige Richterschaft zuständig – und nicht Volkes Stimme, die im Zweifelsfall wenig neutral ist, weil sie „denen da oben“ die Party oder die Ferienwohnung missgönnt.

Privatleben muss sein

Jemand wie Wulff und aktuell Wowereit muss ein Privatleben haben und sich von Freunden einladen lassen dürfen – egal, ob die links oder rechts, arm oder reich sind. Oder Eventveranstalter. Wer mit wem feiert, fliegt oder trinkt, ist nachrangig, so lange dem Gesetz, dem Land und vor allem dem Landeshaushalt dadurch kein Schaden entsteht.

Ein schönes Gegenargument zur angeblichen Beeinflussung lieferte Wowereit auch: Ex-Bahnchef Dürr, dem er nach Logik der Kritiker für den Flug im Privatjet seine Seele verkaufte, habe auf ihn eingeredet, den Flughafen Tempelhof offen zu lassen. Am Columbiadamm sieht es nicht aus, als ob Dürr Erfolg hatte.

13 Mar 2012

AUTOREN

Stefan Alberti

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