taz.de -- Kommentar zur NRW-CDU: Im Herzen Atompartei
Norbert Röttgen soll sich entscheiden: zwischen NRW und Berlin. Die CDU muss sich entscheiden: zwischen Tradition und Modernisierung.
Norbert Röttgen ist ein Mann, der sich gerne doppelt absichert. Der CDU-Politiker wollte einst Industrielobbyist werden und zugleich Abgeordneter bleiben. Aktuell möchte er Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sein und im Falle einer Niederlage das Bundesland gleich wieder gen Berlin verlassen können. Damals musste er klein beigeben und dem Bundesverband der Industrie absagen. Jetzt dürfte es ähnlich laufen. Röttgen hat sich verkalkuliert.
Sein Pech ist, dass es einen Präzedenzfall in der deutschen Politik gibt, in dem die Kandidatin in ähnlicher Konstellation furios gescheitert ist: Renate Künast in Berlin, die mit der Rückfahrkarte in die Bundespolitik bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus grüne Stimmen und Glaubwürdigkeit verlor.
Dennoch: Es zeugt von Kaltblütigkeit, wie stark der Druck auf Norbert Röttgen aus den eigenen Reihen Ende der Woche anstieg. Tenor: Er soll erklären, dass er auch als Oppositionsführer nach Düsseldorf gehen würde. Röttgen hat sich mit seiner schwarz-grünen Politik und seinem Vorpreschen beim Atomausstieg nach Fukushima in der Union Feinde gemacht. Diese zahlen es dem karrierebewussten Bonner nun mit kaum zu übersehender Freude heim.
Die plötzliche Schwäche und Verletzlichkeit Röttgens zeigt zugleich, wie schwer sich die Union wirklich mit den politischen Schwenks tut, die sie in den vergangenen Monaten mit scheinbarer Leichtigkeit vollzogen hat – vom Atomausstieg bis zu einer möglichen Frauenquote.
Die Union ist im Herzen eben doch die Partei der Atomkraft, der Unternehmen und der alten, traditionellen Bundesrepublik. Ein auf die Düsseldorfer Oppositionsbank abgeschobener Röttgen korrigierte das ins Wanken geratene Selbstbild. Wenigstens in einem Punkt.
16 Mar 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Am Mittwoch soll Norbert Röttgen zum CDU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gewählt werden. Doch der Parteibezirk Mittelrhein ruft zum Boykott auf.
Köln ist FDP-Hochburg, einflussreich und sehr liberal. Die Freidemokraten haben Angst, klammern sich aber an das Prinzip Hoffnung – und an Christian Lindner.
Friedrich Merz will seinen Parteifreund Norbert Röttgen im Wahlkampf in NRW unterstützen. Ein Comeback nach drei Jahren politischer Pause.
Norbert Röttgen will zwar gern NRW-Ministerpräsident werden, bei einer Niederlage aber Chef des Bundesumweltministeriums in Berlin bleiben. Die Idee stößt auf wenig Gegenliebe.
Der Frage, ob er auch als Oppositionsführer nach NRW ginge, weicht Röttgen aus. Einst hat er es bei der Kampfkandidatur um den Landesvorsitz versprochen.