taz.de -- Vorratsdatenspeicherung in Deutschland: Brüssel droht mit Klage
Deutschland soll umgehend ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung auf den Weg bringen, findet die EU-Kommission. Sonst drohe sie mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
BRÜSSEL dpa | Die EU-Kommission erhöht den Druck auf Deutschland, ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung auf den Weg zu bringen. Am Donnerstag werde die Behörde der Bundesrepublik ein Mahnschreiben schicken und eine Frist von vier Wochen setzen, um die entsprechende EU-Richtlinie über die Speicherung der Daten von Telefon- und Internetverbindungen zur Terrorabwehr umzusetzen, verlautete am Dienstag aus der EU-Kommission. Dies hatte zuvor die Süddeutschen Zeitung berichtet.
Brüssel droht mit rechtlichen Schritten und einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, wenn Berlin nicht umgehend handelt. Mitgliedsstaaten müssten den Regeln folgen, hatte die zuständige EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström bereits mehrfach gesagt. Wenn nötig, werde man ein Verfahren wegen Verletzung des EU-Vertrags einleiten. Das Schreiben sei der letzte Schritt vor einem juristischen Vorgehen, hieß es. In letzter Konsequenz droht Deutschland in dem Prozess ein Bußgeld.
Eine EU-Richtlinie verpflichtet Telekom-Unternehmen seit 2006 dazu, die Daten von Telefongesprächen, Internetverbindungen und Mails der Bürger auf Vorrat zu speichern, damit Fahnder später Verbrechen aufklären können. Nach Ansicht der EU-Behörde ist dies ein wichtiges Instrument zum Schutz der Bürger – zum Beispiel vor Terroristen. Die EU-Richtlinie wurde nach den Terroranschlägen von Madrid (2004) und London (2005) beschlossen.
In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht im März 2010 die erste Fassung des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt, alle gespeicherten Daten mussten gelöscht werden. Auf ein neues Gesetz haben sich CDU/CSU und FDP bisher nicht einigen können. Brüssel befeuert nun den innenpolitischen Streit zwischen Union und FDP über eine Neuregelung.
21 Mar 2012
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