taz.de -- Strafverfahren gegen Strauss-Kahn: Der Absteiger des Jahres

Für den Ex-Favoriten, Ex-IWF-Chef und Ex-Minister ist die Sexaffäre noch nicht beendet. Jetzt wurde ein Strafverfahren wegen „bandenmäßiger Zuhälterei“ gegen ihn eingeleitet.
Bild: Jetzt gibt es doch noch ein Strafverfahren gegen Dominique Strauss-Kahn.

PARIS taz | Fast hätte man Dominique Strauss-Kahn alias DSK in Frankreich im Trubel der Aktualitäten vergessen. Nicht so die Justiz. Sie hatte ihn in aller Diskretion, zwei Tage vor einem ursprünglich angekündigten Termin, nach Lille ins Büro der Untersuchungsrichter gebeten.

Er hatte damit gerechnet, dass dies wie beim ersten Mal im Februar für einen so bekannten Mann von Welt nur eine Formalität oder gar ein Höflichkeitsbesuch sein würde. Stattdessen wurde ihm im Anschluss an diese Verhöre eröffnet, dass jetzt ein Strafverfahren wegen „bandenmäßiger Zuhälterei“ gegen ihn eingeleitet werde. Darauf stehen bei einem Schuldspruch bis zu zwanzig Jahre Haft.

Mit dem einst so mächtigen Mann, den viele Franzosen vor einem Jahr schon als ihren nächsten Präsidenten betrachtet haben, geht es nun bergab. Nun ist er 62 und geht jetzt in die Geschichte ein, weil er wenige Schritte vor dem krönenden Gipfel seiner Karriere über seine eigenen Sexgeschichten gestolpert ist.

Dieser Exfavorit, Ex-IWF-Chef und Exminister, der sich als „bester Ökonom Frankreichs“ feiern ließ, hat den bitteren Weg in die Liste der „Has-been“ angetreten.

Ein Fall für den Gerichtsreporter

Er wird nicht mehr in den Wirtschaftsseiten zitiert oder um politische Analysen gebeten, er ist nur noch eine Fortsetzungsstory für Gerichtsberichterstatter.

Anders als in New York Mitte Mai 2011 wurde er in Lille nicht in Handschellen abgeführt und in eine Gefängniszelle geworfen. Aber er muss sich einer strengen polizeilichen Kontrolle unterziehen und darf keinen Kontakt zu seinen acht Mitangeklagten haben.

Vergeblich hatte er beteuert, er habe nicht gewusst, dass es sich bei den Teilnehmerinnen, die seine Freunde zu Sexpartys mitbrachten, um Prostituierte handelte. Einige dieser „Escorts“ belasten aber DSK, er habe wie alle anderen Verdächtigten sehr wohl gewusst, dass sie für ihre Dienste bezahlt wurden.

Freund und Helfer

Als Beweis seiner Gutgläubigkeit führte DSK an, es sei der Polizeikommissar Christophe L. gewesen, der ihm diese netten Damen vorgestellt habe. Die Polizei, dein Freund … und Zuhälter?

DSK, der unlängst beim IWF mit Milliarden jonglierte, scheint in der öffentlichen Meinung mit dieser Callgirl-Affäre rund um das Hotel Carlton in Lille seinen letzten Kredit aufgebraucht zu haben.

Kaum jemand glaubt noch, dass er bei den eingestellten Verfahren wegen Vergewaltigungsversuchen in New York oder Paris in eine hinterhältige Falle getappt sei.

27 Mar 2012

AUTOREN

Rudolf Balmer

TAGS

Schwerpunkt Frankreich
Dominique Strauss-Kahn

ARTIKEL ZUM THEMA

Wirtschaftsverbrechen und Literatur: Die schwarze Seherin

Dominique Manotti kennt das Milieu, über das sie schreibt, sehr gut: die akademische Elite, die Politikerkaste, die Welt der Industriellen. Sie ist schonungslos.

Ex-IWF Chef erzielt Vergleich vor Gericht: Strauss-Kahn zahlt

Der Ex-IWF Chef und das Zimmermädchen Nafissatou Diallo einigen sich in den USA außergerichtlich. Strauss-Kahn war Vergewaltigung vorgeworfen worden.

Strauss-Kahn geht in die Gegenoffensive: Klage und Gegenklage

Erst sie, nun er: Der Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn verlangt wegen Verleumdung Schadenersatz von dem Zimmermädchen, das im sexuelle Nötigung vorwirft. Er hat Klage eingereicht.

Zivilprozess gegen Strauss-Kahn: Ex-IWF-Direktor ist nicht immun

Die Anwälte des angeblich vergewaltigten Zimmermädchens wollen Strauss-Kahn zivilrechtlich belangen, obwohl das Strafverfahren eingestellt wurde. Immunität kann er nicht geltend machen.

Ex-IWF-Chef Strauss-Kahn: Ermittlungen wegen illegaler Sex-Partys

Der Vorwurf: „Organisierte Zuhälterei“. In Frankreich ist ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Dominique Strauss-Kahn eingeleitet worden, der auf Partys mit Prostituierten Gast war.

Polizei ermittelt wegen Zuhälterei: Sexpartys mit Strauss-Kahn

In einer Callgirl-Affäre, benannt nach dem Carlton-Hotel im französischen Lille, droht Dominique Strauss-Kahn jetzt eine Anklage wegen Zuhälterei.

Strauss-Kahn wegen Callgirl-Affäre verhört: Der unwissende Partygänger

Lange hat der ehemalige IWF-Chef auf ein Verhör gedrängt. Seit Dienstag befindet sich Strauss-Kahn in Polizeigewahrsam. Es geht um den Vorwurf der Beteiligung an "bandenmäßiger Zuhälterei".

Strauss-Kahn-Gattin Anne Sinclair: Selber Schlagzeilen machen

Anne Sinclair hat bisher zu den Affären ihres Mannes Dominique Strauss-Kahn vehement geschwiegen und treu zu ihm gehalten. Nun gab sie ein Exklusivinterview.

Buch über Dominique Strauss-Kahn: "Suggestive Blicke" sollen schuld sein

Ein Enthüllungsbuch schildert "einvernehmlichen Sex" zwischen Strauss-Kahn und der Servicefrau im Hotel und vermutet ein Komplott. Der Ex-Währungschef distanziert sich.