taz.de -- Klagewelle wegen Schlecker-Kündigungen: Personal im Widerstand

Viele ehemalige Schlecker-Mitarbeiter wollen vor Gericht ziehen. Insolvenzverwalter Geiwitz befürchtet, dass so potentielle Investoren abgeschreckt werden könnten.
Bild: Verdi-Verhandlungsführer Bernhard Franke stellte bei den Gesprächen mit der insolventen Drogeriekette Schlecker „gewisse Interessensgegensätze“ fest.

EHINGEN/ULM dpa | Hunderte frühere Schlecker-Beschäftigte haben kurz vor Fristablauf rechtliche Schritte gegen ihre Entlassung eingeleitet. Einem ersten Trend zufolge gingen bis Anfang der Woche bundesweit rund 450 Kündigungsklagen bei Arbeitsgerichten ein.

Endgültige Zahlen werden erst in den nächsten Wochen erwartet, wie mehrere Gerichte bekanntgaben. Erfolg könnten nach Expertenmeinung die Fälle haben, in denen ein Fehler bei der Sozialauswahl nachgewiesen wird. Ende März war im Zuge der Schlecker-Pleite mehr als 10 000 Mitarbeitern gekündigt worden, nachdem eine Auffanggesellschaft für diese gescheitert war.

Besonders hoch war die Zahl der eingereichten Klagen bisher in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Berlin. Die Gerichte rechnen jedoch mit weitaus mehr Klagen gegen die insolvente Drogeriekette, da die dreiwöchige Frist zur Einreichung in den meisten Fällen erst an diesem Freitag abläuft. Zudem sammeln in manchen Orten Gewerkschaften die Klagen ihrer Mitglieder, um sie gebündelt an die zuständigen Arbeitsgerichte zu übergeben.

In Nordrhein-Westfalen ergab eine Abfrage bei den Arbeitsgerichten in Düsseldorf, Köln, Gelsenkirchen und Bonn bisher rund 80 Klagen von Entlassenen. „Da kommt aber wahrscheinlich noch mehr“, hieß es aus Köln. Im Südwesten gingen insgesamt bisher etwa 200 Klagen ein. Hinzu kämen möglicherweise Klägerinnen, die selbst einen Anwalt eingeschaltet hätten, sagte Janet Dumann von Verdi in Berlin.

Angst vor Klagen

Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz befürchtet für die Schlecker-Rettung, dass Klagen potenzielle Investoren abschrecken könnten. „Kündigungsschutzklagen dürften eher chancenlos sein, sie schaden jedoch der Investorensuche, damit auch den verbleibenden Arbeitsplätzen“, sagte ein Sprecher des Insolvenzverwalters.

Die Gewerkschaft Verdi hatte angekündigt, die entlassenen Mitarbeiter nicht zu rechtlichen Schritten ermuntern zu wollen. Nach Angaben der Bundesarbeits-agentur haben die entlassenen Beschäftigten gute Chancen, schnell wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Interesse an den Mitarbeitern zeigte zuletzt Schlecker-Konkurrent dm.

Geiwitz selbst setzt auf eine Einigung im Streit mit der Gewerkschaft über einen Sanierungsbeitrag der Beschäftigten bis Freitag. „Die Entscheidung bezüglich der Personalkosten liegt bei der Tarifkommission. Ich hoffe, sie fällt noch diese Woche“, sagte Arndt Geiwitz am Donnerstag vor Beginn der Sondierungsgespräche mit Verdi. Bislang verlangt Geiwitz nach Gewerkschaftsangaben einen Lohnverzicht von 15 Prozent, den Verdi als „überzogen“ ablehnt.

Beide Seiten gaben an, Freiheiten bei den Verhandlungen zu sehen. „Es gibt immer Spielraum“, sagte Geiwitz. Für die geplante Sanierung der Drogeriekette benötigt der Insolvenzverwalter Einsparungen bei den Lohnkosten. Die Sondierungs-gespräche in Ulm sollten am Donnerstag bis in den frühen Nachmittag andauern und am Freitag fortgesetzt werden.

„Schwierige Verhandlungen“

Während Geiwitz auf eine rasche Einigung drängt, will Verdi an beiden Tagen zunächst offene Fragen klären. Verdi-Verhandlungsführer Bernhard Franke ging zunächst von einem Abschluss Ende der kommenden Woche aus. Die Gewerkschaft spricht von „schwierigen“ Verhandlungen - auch wenn das gemeinsame Ziel die Fortführung des Unternehmens sei. „Ich sehe, dass wir gewisse Interessensgegensätze haben“, sagte Franke.

Bei den laufenden Gesprächen gehe es Verdi vor allem darum, Zahlen und Fakten zu bekommen, ob die Vorschläge von Geiwitz überhaupt für eine Sanierung und die Sicherung der Arbeitsplätze geeignet sind. Dazu zählten etwa auch Informationen über die Bereitschaft der Lieferanten, die Konditionen für Schlecker nicht zu verschlechtern.

„Es wäre sinnlos, wenn nur die Beschäftigten Opfer ablegten“, sagte der Verdi-Handelsexperte in Baden-Württemberg. Verdi signalisierte weiterhin die grundsätzliche Bereitschaft für einen Sanierungsbeitrag der Mitarbeiter – geknüpft an Garantien für ihren Arbeitsplatz.

19 Apr 2012

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