taz.de -- Kommentar Nabucco-Pipeline: Der Hebel gegen Ahmadinedschad

Das mögliche Aus der Nabucco-Pipeline gefährdet nicht die mitteleuropäische Versorgung mit Erdgas, sondern den Dialog mit dem Iran.

Das Projekt der Nabucco-Pipeline, die die zentralasiatischen Gasreserven über das Kaspische Meer und den Kaukasus an Russland vorbei nach Europa führen sollte, könnte vor dem Aus stehen. Ungarn zieht die Finanzierungszusagen zurück und damit wohl auch den Stecker aus dem Milliarden Euro teuren Projekt.

Der Pipelinetraum, der die Gasreserven Zentralasiens aus der babylonischen Gefangenschaft des russischen Röhrensystems führen sollte – daher auch der Name der italienischen Oper von Verdi – war schon immer überambitioniert, zu teuer und eigentlich zu spät.

Über Land sollte die Röhre von Europa über die Türkei lediglich ans Westufer des Kaspischen Meeres zur Hauptstadt Aserbaidschans Baku verlaufen. Doch der wirkliche Gasschatz liegt am östlichen Ufer des salzigen Binnengewässers, und vor allem Russland nutzte die Statusfrage des Kaspischen Meeres um eine Pipelineverlegung durch das Binnenmeer zu verhindern. Derweil schaffte China Fakten und forderte das russische Gasmonopol vom Osten heraus.

Das Reich der Mitte finanzierte eine Gasröhre quer durch Zentralasien und saugt seitdem an den turkmenischen Gasfeldern. Zudem hat die Nabucco-Pipeline ein beachtliches Despotenproblem. Turkmenistan wird autoritär von Präsident Kurbanguli Berdimuchammedow regiert, der ähnlich wie in Nordkorea sämtliche bürgerlichen Freiheiten im Keim unterdrückt.

Ist es also nicht gut, wenn man Nabucco bald getrost abhaken kann? Immerhin spart man auch Milliarden von Euros. Doch es gibt noch eine spannende Perspektive bei dem ehemals geplanten Gastransfer. Sie hätte das Angebot für die anstehenden Iranverhandlungen sein können, das für die Führung in Teheran nur schwer abzulehnen gewesen wäre.

Iran grenzt im Süden an Zentralasien, das Kaspische Meer und den Kaukasus. Über Land könnte in einem Südschwenk eine Pipeline die turkmenischen Gasfelder mit Baku in Aserbaidschan verbinden, dem Ausgang von Nabucco.

Der Iran könnte sogar eigene Gasreserven einspeisen. Die Landroute wäre günstiger und schneller zu bauen. Ein solcher Zugang würde Iran zum wichtigsten Player der Region machen und Investitionen von Milliarden Euro nach sich ziehen. Die Bedingung für diesen Traumdeal sind einfach: Ahmadinedschad und Konsorten müssten endgültig und nachprüfbar auf die Atombombe verzichten und die Vernichtungsrhetorik gegen Israel glaubhaft einstellen.

25 Apr 2012

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Marcus Bensmann

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