taz.de -- Zum Abschied von Harald Schmidt: Good Bye Late Night
Der einstige Quotenbringer der spätabendlichen Unterhaltung verabschiedet sich vom Bildschirm. Hat Schmidt sich verändert, oder liegen die sinkenden Zuschauerquoten am Publikum?
KÖLN dpa | Es ist nun schon ein paar Jährchen her, da empfahl ein amerikanischer „Insiderführer durch das deutsche Leben“ seinen Lesern, sie sollten in Germany erst gar nicht versuchen, einen Witz zu erzählen. „Überlassen Sie das einem gewissen Harald Schmidt“, riet der Buchautor. „Oder Deutschen, die zuviel getrunken haben.“
Damals - es war ungefähr Ende der 90er Jahre, Schröder und Fischer regierten - besaß Harald Schmidt vorübergehend so etwas wie das deutsche Witz-Monopol. Da ließ „Dirty Harry“ mit seinen Verstößen gegen die deutsche Humor-Hygiene in kurzen Abständen den Blätterwald rauschen und erreichte bei Sat.1 zweistellige Einschaltquoten. In den vergangenen Monaten dagegen kam die „Harald Schmidt Show“ zeitweise nur noch auf 690.000 Zuschauer. Am kommenden Donnerstag läuft sie aus. Gute Nacht, Late Night.
Wer hat sich verändert - Harald Schmidt (54) oder seine Zuschauer? Was Schmidt betrifft, sind die Meinungen seit jeher geteilt, doch gerade in den letzten Monaten wurde er auf den Medienseiten häufig bejubelt. Die Wulff-Affäre ließ ihn noch einmal zu großer Form auflaufen. Da war er dann wieder: Harald Schmidt, Blitz-Pointen-Setzer und Allround-Assoziator.
Gesprächs- oder gar Zündstoff bot er allerdings kaum mehr, und das war früher eben anders. Seiner Polenwitze wegen wurde der Stand-up-Zyniker von der polnischen Regierung einst sogar eingeladen, sich selbst ein Bild von Land und Leuten zu machen. Heute ist auch der böseste Gag keine Schlagzeile wert. Schmidt ist insofern ein Opfer seines eigenen Erfolgs - er hat wesentlich dazu beigetragen, den politisch korrekten Witz der „Scheibenwischer“-Epoche zu begraben. Aber mittlerweile haben sich Gewöhnung und Ermüdung eingestellt.
Fehlgriff Oliver Pocher
Neben Oliver Pocher wirkte Schmidt von 2007 bis 2009 in der ARD geradezu als Verteidiger des guten Geschmacks. Pocher war mit ins Boot geholt worden, um die junge Generation an den ergrauenden Meister heranzuführen. Dieses Projekt darf getrost als misslungen betrachtet werden. Schmidt und die Facebook-Generation sind sich fremd geblieben. Ihm selbst fällt wenig dazu ein. Und umgekehrt muss man, um alle seine Pointen zu verstehen, ein humanistisches Gymnasium besucht oder doch zumindest sehr viele zusammenhängende Texte gelesen haben.
Sein ehemaliger Side-Kick Manuel Andrack (46) weist im aktuellen Spiegel darauf hin, dass sich Schmidt thematisch zunehmend auf die „Binnenwelt des Fernsehens“ beschränkte: „Es ging um Quotenentwicklungen und darum, wer gerade bei welchem Sender rausgeschmissen wird. Das interessiert doch keinen“
Nicht täglich war nicht gut
Sicher war es auch ein Nachteil, nicht mehr wie in den ersten acht Jahren bei Sat.1 fast jeden Tag auf Sendung zu gehen. In der ARD-Ära beschränkte er sich sogar auf eine Show pro Woche - viel zu wenig, um die Deutungshoheit über das politische und mediale Geschehen zu erringen oder zumindest zum festen Bestandteil im Tagesablauf seiner Fangemeinde zu werden.
Wie es weitergeht, steht in den Sternen. Manuel Andrack („In Wirklichkeit ist Schmidt noch gemeiner als auf der Bühne“) glaubt nicht, dass sein früherer Boss noch einmal zurückkommt: „Welcher Sender sollte ihn denn noch nehmen?“ Sein Entdecker und ehemaliger Kompagnon aus "Schmidteinander", Herbert Feuerstein (74), ist dagegen von einem Comeback überzeugt. „Ich bin Atheist“, sagt er. „Aber an Schmidts Wiedergeburt glaube ich.“
1 May 2012
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