taz.de -- Diskussionsfreude auf der „Re:publica“: Katzencontent runtergestuft

Auf der „Re:publica“ diskutieren Onliner mit Offlinern, manche finden neue Hacker doof, andere widersprechen. Wer hier nach Klischees sucht, wird sie nicht finden.
Bild: ACT!ON: Auf der „Republica“ ist viel los.

BERLIN taz | Es passiert einfach alles gleichzeitig. Auf der Hauptbühne hält der US-Geschichtsprofessor Eben Moglen eine dystopische Rede darüber, wie bedroht das Internet und seine Freiheit ist, und ruft dem Publikum zu: „Der Tod von Steve Jobs war ein sehr willkommener Moment, weil er sich als Künstler sah, der glaubte, alles erfunden zu haben, aber nichts teilen wollte“.

Und gleichzeitig wird in Saal 2, keine 30 Meter Luftlinie weiter, Buzzword-Bingo gespielt: ein hemdsärmeliger Unternehmer sagt Sätze wie „letzlich geht es um Execution" und „wir müssen die Crowd aktivieren" – in einer Diskussionsrunde, die zu erörtern sucht, ob sich Berlin auf dem Weg dahin befindet, mit dem Silicon Valley vergleichbar zu werden.

Die Bloggerkonferenz Republica ist in diesem Jahr endgültig zu einem Massenevent geworden, einem, das auf acht Bühnen parallel versucht, einzufangen, welche Internet-Themen derzeit wichtig sind. Eine Gleichzeitigkeit von Themen, die dem twittererprobten Publikum einerseits vertraut vorkommen dürfte. Und die es andererseits unmöglich macht, die Diskussionen, die häufig zeitlich parallel verhandelt werden, zu verfolgen.

Nichts liegt so sehr auf der Hand wie festzustellen, dass die Republica in diesem Jahr tatsächlich von der eigenen digitalen Adoleszenz verabschiedet hat. Zum einen, weil sie 2012 den Veranstaltungsort gewechselt hat – weg von der kuscheligen Berliner Kalkscheune, die in den vergangenen Jahren oft so aus allen Nähten platzte, dass es einfacher war, im Gang Networking zu betreiben als einen Vortrag zu hören, hin zur geräumigen „Station" wo schon seit Jahren Business-Konferenzen abgehalten werden.

Der Sinn und Unsinn von Anonymous

Aber auch, weil die Themen – von ACTA versus Freiheit des Internets, von digitaler politischer Neuerfindung mit und ohne Piraten, von vernetzten Städten, Gesundheit 2.0 bis hin zur Zukunft von Medien und Bildung im digitalen Zeitalter - inzwischen im Mainstream-Diskurs angekommen sind. Oder aber kurz davor stehen, ihn gründlich zu verändern.

Da beharken sich Chaos Computer Club-Sprecher Frank Rieger und der US-Hacker Jakob Appelbaum über Sinn und Unsinn von Anonymous. Während Rieger den mangelnden technischen Sachverstand und die Infiltrierung von Anonymous durchs FBI kritisiert, entgegnet ihm Appelbaum bei allem Respekt, er höre sich an wie ein alter Rock'n'Roller, der junge Punkrocker dafür geißelt, über die Stränge zu schlagen.

Da wird kundig und ausgewogen über Selfpublishing und Deliberation im Internetzeitalter verhandelt, da beschreiben Blogger und Internetaffine aus aller Welt die Situation in ihren Ländern, diskutieren Experten über Lobbyismus auf EU-Ebene oder wie Internet, Apps und neue Gadgets die Gesundheitsbrance verändern können.

Kundiges, Verschrwurbeltes, Albernes

Und da bedankt sich Sascha Lobo bei der FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger für ihre Standhaftigkeit in Sachen Vorratsdatenspeicherung und verkündet dann, dass Katzencontent im Netz von einer TripleA-Bewertung auf A++ herabgestuft worden sei.

Und im Foyer präsentieren sich die Großsponsoren und Konferenzpartner von Mercedes Benz bis hin zur Wikipedia zwischen netzwerkenden Anzugträgern (unter anderem übrigens doch der Springer-Mann Christoph Keese, einer der geistigen Väter des Leistungsschutzrechts) und matetrinkenden Geeks.

Und ähnlich gemischt ist auch das Medienecho: Von kundiger Berichterstattung bis hin zu einem Beitrag des ARD-Nachtmagazins, das sich mal wieder diesen verrückten Internetmenschen widmet, von denen angeblich viele nach dem T-Shirt-Motto „Ist mir egal, ich lass das jetzt so“ leben.

Wer Klischees hinterherhinkt, der wird der Konferenz wenig abgewinnen können. Jeder andere findet auf der Republica jedoch vieles: vom Verschwurbelten übers Alberne bis hin zu wichtigen Ansätzen. Und ganz im Trend der Zeit: keine endgültigen Antworten. Aber jede Menge spannende Diskussionen und kundige Menschen.

3 May 2012

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Meike Laaff

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