taz.de -- DFB-Nominierungen für die Fußball-EM: Fast alles beim Alten

Bundestrainer Löw hat seine vorläufige Auswahl für den Kader zur Europameisterschaft vorgestellt. 27 Spieler sind eingeladen, 23 dürfen am Ende mitfahren.
Bild: Der Schalker Julian Draxler kann sich über die Berufung in den vorläufigen EM-Kader freuen.

RASTATT taz | Wer von der Autobahn zum Rastatter Mercedes-Benz-Werk will, fährt erst einmal an Streuobstwiesen vorbei. Aus dem nahen Wald duftet es nach Bärlauch. Dann steht man vor einer Autofabrik. Die Nominierung des vorläufigen EM-Kaders hatte also nicht viel gemein mit dem Brimborium, das noch vor vier Jahren auf der Zugspitze betrieben wurde.

Ein paar einleitende Worte gab es zu hören, einen kurzen Film. Wenige Sekunden später bekamen die Journalisten ein schmuckloses A4-Blatt in die Hand gedrückt, auf dem die 27 Auserwählten standen, die am Freitag mit der DFB-Crew nach Sardinien fliegen.

Sensationen sind ausgeblieben. Jogi Löw vertraut weiter seinen Alphatieren Miroslav Klose und Per Mertesacker, die monatelang verletzungsbedingt ausfielen. Von den Spielern, denen er jahrelang einen Vertrauensvorschuss einräumte, fehlen hingegen der Leverkusener Simon Rolfes und Dennis Aogo vom HSV, an dessen Stelle der Dortmunder Marcel Schmelzer rückte. Die Personalie kann durchaus als Grundsatzentscheidung interpretiert werden. Denn der Dortmunder hat gegenüber dem offensivstarken Aogo den Vorteil, in der Defensivarbeit etwas besser zu sein.

Aber die ein oder andere Überraschung birgt der Kader dann doch. Stürmer Patrick Helmes, der zuletzt in Wolfsburg in elf Spielen hintereinander traf, wird zwar gelobt („hat hervorragende Leistungen gezeigt“), an seiner Stelle darf dennoch der Stuttgarter Cacau mitfahren. Auf Nachfrage begründet der Teamchef das mit den unterschiedlichen Stärken der beiden Angreifer.

Während Helmes eher ein klassischer Konterstürmer sei, der seine Stärken am besten entfalten könne, „wenn er etwas Platz hat“, sei Cacau „auch im Verein“ in der Jokerrolle erprobt und auf engem Raum stärker. Und genau den erwartet er dem Vernehmen nach bei einigen EM-Spielen, in denen der Gegner versucht sein könnte, sich gegen einen der EM-Favoriten hinten reinzustellen.

Auch mit der Nominierung des Dortmunders Ilkay Gündogan („zuletzt starke Monate“) und des Schalkers Julian Draxler war nicht unbedingt zu rechnen. Der 18-jährige Draxler hat es Löw ob seiner Schnelligkeit und seiner Spielintelligenz angetan, er werde durch die Nominierung „noch einmal einen Schub bekommen“. Dennoch dürfte der Mittelfeldmann einer der Spieler sein, die bei der endgültigen Kadernominierung am 29. Mai zu den Streichkandidaten zählen.

Insgesamt nominierte Löw gleich vier Torhüter, was zumindest insofern überraschend ist, als die Trainingsperiode auf Sardinien, bei der die Ehefrauen und Freundinnen der Spieler dabei sein werden, eher der Regeneration und dem Teambuilding dient. Fundamentale Erkenntnisse, wer perspektivisch die Nummer zwei hinter dem wohl dauerhaft gesetzten Manuel Neuer wird, sind also eher nicht zu erwarten.

Der aus fünf Spielern (Ilkay Gündogan, Mats Hummels, Sven Bender, Marcel Schmelzer, Mario Götze) bestehende BVB-Block stößt am 15. Mai zum DFB-Tross, einen Tag später kommen die beiden Madrilenen Mesut Özil und Sami Khedira hinzu. Hingegen sind die Bayern-Spieler wegen des Champions-League-Finales bis zum 25. Mai gebunden, inklusive Innenverteidiger Badstuber, der, wie Löw berichtete, auf „Wunsch von Jupp Heynckes“ beim Verein bleibt, obwohl er fürs Finale gesperrt ist. Löw lamentierte in Rastatt nicht lange über den misslichen Umstand. Die Dinge seien ja nicht zu ändern. Da der Bayern-Block aber 8 der 27 Akteure, also mehr als ein Viertel umfasst, lässt sich nachvollziehen, dass Löw von einer „schwierigen Situation“ sprach.

Eine solche herrscht bekanntlich auch im EM-Gastgeberland, wo der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko eine ärztliche Behandlung im Ausland verwehrt wird. Er befürworte es ausdrücklich, wenn die Spieler, die allesamt „mit offenen Augen durch die Welt laufen“, ihre Meinung sagen, so Löw. So wie es Philipp Lahm im aktuellen Spiegel-Interview getan hat. Dort hatte der DFB-Kapitän klare Äußerungen von Uefa-Präsident Platini angemahnt.

7 May 2012

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