taz.de -- Bürgschaft für Brasiliens Angra 3: Dem AKW hilft nur noch ein Stresstest

Angra 3 bleibt weiter umstritten: Das von der Regierung angeforderte Gutachten über das brasilianische Atomkraftwerk lässt alle Fragen offen.
Bild: Protest vor dem Kanzleramt gegen das brasilianische AKW Angra 3.

BERLIN taz | Die Bundesregierung muss die Entscheidung über eine endgültige Exportkreditzusage für das umstrittene Atomkraftwerk Angra 3 in Brasilien auf unbestimmte Zeit verschieben. Denn ein [1][groß angekündigtes Gutachten], das als Grundlage für die Entscheidung dienen sollte, lässt alle wichtigen Fragen offen. Geklärt werden sollte, ob der Betreiber alle Auflagen aus dem Genehmigungsverfahren einhält und ob das geplante AKW auch angesichts der Erkenntnisse aus der Katastrophe in Fukushima als sicher gelten kann.

Das von der Regierung angeforderte Gutachten, das das Institut Istec im Auftrag des Atomkonzerns Areva erstellt hat und dessen Kurzfassung der taz vorliegt, kommt nun zu dem Schluss, dass diese Fragen derzeit nicht beantwortet werden können.

Über eine wichtige Auflage, die Überarbeitung einer Sicherheitsanlayse, lägen keine Ergebnisse vor, sodass diese „zum gegenwärtigen Zeitpunkt als nicht erfüllt anzusehen“ sei. Zu weiteren Auflagen habe der Betreiber zwar Unterlagen eingereicht. Die brasilianische Atomaufsichtsbehörde CNEN, die für die inhaltliche Bewertung der Auflagenerfüllung zuständig ist, habe sich jedoch bisher zu keinem der Themen geäußert, sodass eine abschließende Bewertung nicht möglich sei.

Noch dürftiger sind die Ergebnisse zu den Konsequenzen aus Fukushima: Hier schreiben die Gutachter nur, dass der Betreiber einen Stresstest plane, dessen Umfang unklar sei und dessen Ergebnisse bis Juli 2012 erwartet werden. Weitere Untersuchungen zur Evakuierung, die wegen der geografischen Lage als schwierig gilt, werden erst 2013 erwartet.

Skandalöse Vertröstung

Die Umweltorganisation Urgewald erklärte in einer ersten Stellungnahme, es sei skandalös, dass weiter vertröstet werde. „Statt auf eigene Expertise setzt die Regierung nun offenbar auf einen brasilianischen Stresstest - und auf die Einschätzung der Behörde, die zudem nicht unabhängig ist.“ Der Grünen-Abgeordnete Sven Kindler forderte Konsequenzen aus dem Gutachten. „Schwarz-Gelb muss jetzt endlich die Reißleine ziehen und die Hermes-Bürgschaft absagen.“

Der Atomkonzern Areva, der die Bürgschaft über 1,3 Milliarden Euro beantragt hat, interpretiert das Gutachten hingegen anders: Trotz „offener Punkte“ sähen weder Betreiber noch Behörden bisher einen Anlass, die Sicherheit der Anlage zu hinterfragen, teilte das Unternehmen mit Sitz in Erlangen mit.

Das Wirtschaftsministerium räumte ein, dass laut Gutachten „zu einigen wesentlichen Sicherheitsaspekten noch keine bewertbaren Unterlagen vorliegen“; deswegen könne „die endgültige Entscheidung“ über die Bürgschaft erst „zu einem späteren Zeitpunkt“ getroffen werden, hieß es auf Anfrage

Bisher hat Deutschland nur eine vorläufige Zusage für eine Bürgschaft für Angra 3 vergeben. Die endgültige Entscheidung wurde - unter dem Eindruck von Fukushoma und nach öffentlichen Protesten mehrfach verschoben.

Der Bau von Angra 3 etwa 150 Kilometer westlich von Rio de Janeiro war bereits in den 1970er Jahren begonnen und in den 1980er Jahren unterbrochen worden. 2010 wurden die Arbeiten wieder aufgenommen. Weil der Standort als erdbebengefährdet gilt und das Gebiet zudem nur schwer evakuiert werden kann, hatten Umweltgruppen von Anfang an gegen das Projekt protestiert.

8 May 2012

LINKS

[1] /fileadmin/static/pdf/ISTec-A-1999_Bericht_Angra_3.pdf

AUTOREN

Malte Kreutzfeldt

ARTIKEL ZUM THEMA

AKW-Bau in Brasilien: So sicher wie die Rente

Die deutsche Regierung akzeptiert veraltete Standards bei der Kreditbürgschaft für ein AKW in Brasilien. Die Grünen sind sauer.

Umstrittenes Waldgesetz in Brasilien: Rousseff dribbelt die Öffentlichkeit aus

Brasiliens Präsidentin verzögert die Entscheidung über das Waldgesetz mit einem Teilveto bis nach dem Umweltgipfel Rio+20. Umweltschützer hatten sich mehr erhofft.

Regierung räumt Versäumnisse ein: Fehlerhaftes Atomgutachten

Ein Gutachten über das brasilianische AKW Angra 3 stützte sich auf überholte Sicherheitsstandards. Die deutschen Finanzzusagen werden trotzdem verläufig verlängert.

Deutscher Atomkredit wird geprüft: Mieses Gutachten für AKW in Brasilien

In Brasilien hält man nichts von einer „Dämonisierung der Atomenergie“ und baut das AKW „Angra 3“ weiter. Dabei werden in zwei Gutachten schwere Mängel beanstandet.