taz.de -- Nach dem Flughafendebakel: Natürlich ist keiner schuld!
Die Beteiligten des Flughafendebakels weisen jede Verantwortung weit von sich. Schluss damit: Die taz nennt die Versager beim Namen.
Wer: Regierender Bürgermeister,BER-Aufsichtsratschef
Was: "Als Aufsichtsrat haben wir kein Interesse daran, die Dinge zu beschönigen", versichert Wowereit, der das Projekt noch immer als "Erfolgsgeschichte" bezeichnet. Von großen Versäumnissen kann also keine Rede sein, auch wenn das Berlin-Maskottchen seit Längerem von den Mängeln beim Brandschutz wusste. Deshalb ist es nicht weiter schlimm, dass er in seiner Regierungserklärung viel sagte, ohne jedoch Erklärungen für die Verschiebung zu liefern. Fazit: Die Koordination der Airport-Turbulenzen ist beim Regierenden in ganz sicheren Händen.
Versagergrad: 9,8
Wer: Chef von Air Berlin
Was: An Mehdorns Schuld kann es keine Zweifel geben. Vorstand von RWE, dann Aufsichtsratsvorsitzender bei Dornier. Der Flugzeughersteller ging 2002 pleite. Auch in seinem liebsten Job als Bahn-Manager hat Mehdorn an Pannen nicht gespart: ICE-Achsen, Ausfälle und Verspätungen, der geplatzte Börsengang. Seit September ist er Chef von Air Berlin. Als solcher hatte er ein ominöses Treffen mit Flughafenchef Schwarz, der Mehdorn bestätigte, dass alles nach Plan lief. Mal ehrlich: Mehdorn, der seinerzeit als Bahnchef systematisch Mitarbeiter bespitzeln ließ, der soll nichts gewusst haben?
Versagergrad: Außer Konkurrenz
Wer: Grüne Exbürgermeisterkandidatin
Was: Anders als ihr Parteikollege Jürgen Trittin hat Künast noch keine Rücktrittsforderung an Wowereit gestellt. Dabei ist der für Künast Hauptverantwortlicher, weil der nur "die Feiern im Kopf gehabt" habe. Künast ist sich sicher: "Infrastruktur kann Wowereit nicht." Doch ob es unter einer Regierenden Künast im Roten Rathaus anders gekommen wäre? Schließlich hatte sie im Wahlkampf gefordert, aus Schönefeld notfalls einen Regionalflughafen zu machen, und damit gezeigt, dass sie weder von Bauabläufen noch vom neuen Selbstverständnis der Hauptstadt was versteht.
Versagergrad: 7,0
Wer: Bundesverkehrsminister, Vielflieger
Was: Auch Ramsauer trägt politische Verantwortung für den neuen Flughafen - der Bund ist zu 26 Prozent Miteigentümer. Öffentliche Schimpftiraden sind vom Minister aber nicht überliefert. Der Hobby-Pianist, der gerne abtaucht, wenns brenzlig wird, spielt die leise Klaviatur: Er mahnt, Berlin könne sich keinen "Pannenflughafen" leisten und der neue Termin müsse "hieb- und stichfest" sein. Der muss grad reden, überzieht er doch ständig sein Reisebudget für Auslandstrips. Seit seinem Amtsantritt im Oktober 2009 war Ramsauer mindestens 50 Mal dienstlich im Ausland - mit dem Flieger versteht sich.
Versagergrad: 8,5
Wer: Flughafenchef
Was: Zurücktreten? Iwo, das weist Schwarz entrüstet von sich. Gelogen? Ach was - man kann als Chef ja auch nicht immer alles wissen. Und was sind denn schon ein paar Monate bei einem Jahrhundertprojekt wie diesem? Schließlich ist das nicht die erste Verschiebung der Eröffnung. Kann ihm ja auch eigentlich niemand verübeln, dass er sich noch ein bisschen Zeit lassen will, ist schließlich kein unangenehmer Job, so ein Flughafenbau. 546.000 Euro Gehalt im Jahr und dabei auch noch genug Zeit, nebenher als Honorarprofessor an der Technischen Fachhochschule Wildau zu lehren. Thema: Flughafen-Management?
Versagergrad: 10
Wer: Exbundeskanzler, Namenspatron des Airports
Was: Die Schlüsselfigur des Schönefelder Baustellenschlamassels. Der Eröffnungstermin ist verschoben, doch das ist Brandt egal. Bis heute schwebt der Exkanzler, von Bus- und Tramfenstern lächelnd, durch die Stadt und lädt zur Eröffnung am 3. Juni ein. Brandts Ignoranz ist nicht verwunderlich, denn wer wäre nicht scharf auf einen Airport, der ihren oder seinen Namen trägt? Doch vielleicht finden es die Flughafenbetreiber gar nicht so schlimm. Schließlich ist es beruhigender, wenn die Menschen statt über Brandschutztüren über einen Friedensnobelpreisträger nachdenken.
Versagergrad: posthum nicht ermittelbar
11 May 2012
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