taz.de -- Schweigen über Banken-Abzocke soll enden: Billig leihen und dann abkassieren

Überziehungskredite sind hier fast so teuer wie in Griechenland. Das Verbraucherschutzministerium plant eine Analyse der Zinsen bis Ende des Jahres. Die Ministerin will helfen.
Bild: Das wird teuer: Deutsche Banken verlangten zuletzt Überziehungskreditzinsen von durchschnittlich 10,2 Prozent.

BREMEN taz | Das Bundeskartellamt soll die Dispozinsen deutscher Banken überprüfen. Das kündigte jetzt das Finanzministerium im Bundestag an. Hintergrund: Im Vergleich zu anderen EU-Staaten zahlen BankkundInnen hierzulande überdurchschnittlich hohe Dispozinsen, wenn sie ihr Konto überziehen. Ein Sprecher des Bundeskartellamtes sagte jedoch, das Problem sei „kartell-rechtlich schwer zu greifen“.

Das Bundesverbraucherschutzministerium plant deshalb eine Analyse der Zinsen für kurzfristige Bankkredite, deren Ergebnisse bis Jahresende vorliegen sollen. Danach solle entschieden werden, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, so das Ministerium von Ilse Aigner (CSU).

Während die Europäische Zentralbank den Kreditinstituten derzeit Geld zu einem Zinssatz von einem Prozent gewährt, verlangten deutsche Banken zuletzt Überziehungskreditzinsen von durchschnittlich 10,2 Prozent. Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des SPD-Finanzpolitikers und Bundestagsabgeordneten Carsten Sieling hervor.

Der durchschnittliche Dispozins im Euroraum lag demzufolge im Februar bei 8,8 Prozent. Nur in Portugal (13,2 Prozent), Irland (12,9) und Griechenland (11,0) verlangen die Banken im Euroraum noch höhere Dispozinsen als in Deutschland, das bislang gut durch die Krise gekommen ist.

„Das ist ein Skandal“

In Österreich etwa war der Zinssatz mit 5,5 Prozent knapp halb so hoch wie in Deutschland, auch in den Niederlanden (6,7) oder Italien (7,6) ist es deutlich günstiger, sein Konto zu überziehen. „Das ist ein Skandal“, sagt Sieling, „ganz offenbar setzen die deutschen Banken weiter auf das Geschäftsmodell Abzocke“.

Zwar sind die Dispozinsen in den letzten Jahren tendenziell gesunken. In einer umfassenden Untersuchung der Stiftung Warentest aus dem vergangenen Jahr lagen die deutschen Dispozinsen aber immer noch zwischen 6 und 15 Prozent. Neben der Targobank, einigen Sparkassen und Volksbanken verlangten auch die Commerzbank oder die Postbank mehr als 13 Prozent.

Die Stiftung Warentest nennt sie „Abzockerbanken“. Aigner sagte jüngst, sie habe „kein Verständnis dafür, wenn Banken sich billiges Geld beschaffen, aber ausgerechnet jene Kunden mit hohen Zinsen abkassieren, die am wenigsten haben“.

Verbraucherschützer kritisieren schon seit langem die hohen Dispozinsen der deutschen Banken. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert eine gesetzliche Deckelung der Gewinnmarge zwischen den Überziehungs- und den Refinanzierungszinsen.

15 May 2012

AUTOREN

Jan Zier

ARTIKEL ZUM THEMA

WDR-Doku über Deutsche Bank: Armer Sparer, böse Heuschrecke

Die Doku "Verzockt und verklagt - Die guten Geschäfte der Deutschen Bank" macht es sich etwas zu leicht. Der Film hat einen klaren Auftrag.

Drohende Griechenland-Pleite: Europas Milliarden-Risiko

Die Gefahr einer Griechenland-Pleite wächst. Das käme Deutschland und Europa teuer zu stehen. Allein Deutschland könnte das rund 65 Milliarden Euro kosten.

Kommentar Sparkasse zockt ab: Bitte nur die reichen Kunden

Die Sparkasse erhöht die Gebühren für ihre Kunden, die wenig Geld haben. Das zeigt mal wieder: Selbstverpflichtungen von Unternehmen reichen nicht aus.

Dispo-Überziehungszinsen: Banken dürfen weiter zulangen

Die Stiftung Warentest analysierte im vergangenen Herbst: Viele Banken könnten die Überziehungszinsen senken. Doch die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf.

Kommentar Wucherzinsen beim Dispo: Wie man die Abzocke stoppt

Eine Kontrollinstanz gibt es nicht. Weder das Bundeskartellamt noch die Bafin fühlen sich für die Dispozinsen zuständig. Dabei hätte die Regierung längst die Initiative ergreifen können.

Stiftung Warentest kritisiert Banken: Die Dispozinsen sind zu hoch

Etliche Banken und Sparkassen kassieren laut einer Untersuchung der Stiftung Warentest zu hohe Dispozinsen - und das trotz historisch günstiger Kosten bei der eigenen Geldbeschaffung.