taz.de -- Kommentar Lafontaines Rückzug: Opfer einer sagenhaften Eitelkeit

Die Linkspartei hat jetzt ihre letzte Chance, es Lafontaine nicht gleichzutun und endgültig von der politischen Bühne abzutreten. Die linken Frauen könnten sich positionieren.

Es ist ein Leichtes, jetzt über Oskar Lafontaine Kübel der Häme auszugießen. Ja, er ist gescheitert an seiner eigenen Eitelkeit, an seiner an Größenwahn grenzenden Einschätzung, dass nur er, flankiert von einer Person seiner Gnaden, der alleinige Retter der siechenden Linkspartei sein kann.

Es war glücklicherweise falsch zu glauben, dass eine Partei sich einem Mann unterwirft, der in Diktatorenmanier vorschreibt, unter welchen Bedingungen er sich inthronisieren lässt. Mit einer Wahl hatte der Wahn Lafontaines, keinen wirklichen Herausforderer zuzulassen, ja nichts zu tun.

Es ist gut, dass die Partei sich nicht auf das erpresserische Spiel des Saarländers eingelassen hat.

Sie hat Eigensinn gezeigt und dass sie weiß, wie eine Partei ihrem Führungspersonal begegnen muss, wenn selbiges in tumpes Führerverhalten abdriftet. Nichts anderes ist Lafontaine passiert.

Tragisch bleibt seine Selbstzerstörung trotzdem. Auch wenn seine gestrige Entscheidung endlich einen widersinnigen Disput beendet und damit die Linkspartei letztlich auch befreit hat.

Für den Profipolitiker selbst sieht es freilich ganz anders aus. Mit seinem Starrsinn wird er genau das bewirken, was er unbedingt verhindern wollte. Der ehemalige SPD-Spitzenpolitiker, der Mann mit der wichtigen und richtigen Antwort auf den Hartz-IV-Verrat der Sozialdemokraten, hat sein Ansehen mit diesem letzten Gefecht ohne Not zerstört. Er, der dafür gesorgt hat, dass die Linkspartei sich bundesweit etabliert, er, der viel riskiert und geopfert hat dafür, dass die Unterprivilegierten auch im Westen trotz einer Schröder-SPD eine Stimme haben, hat es ganz allein zu verantworten, dass er die große Bühne als jämmerlicher, eitler, alter Mann verlässt.

Für die Partei mag der gestrige Tag als ein guter Tag in die Geschichtsbücher eingehen. Mit dem Abtritt des 68-jährigen Politikers ist der Weg jetzt frei für ein wirkliches Team an der Spitze.

Große Hoffnungen sollte man auch auf das Engagement der linken Frauen setzen, die in den vergangenen Tagen demonstrierten, dass sie das Regat der autoritären Männer satthaben und eine wirkliche Alternative, inhaltlich wie organisatorisch (Teilzeitchefin, hallo!), sein wollen.

Jetzt hat die Linkspartei ihre letzte Chance, es ihrem Urvater nicht gleichzutun und endgültig von der großen politischen Bühne abzutreten.

22 May 2012

AUTOREN

Ines Pohl

ARTIKEL ZUM THEMA

Der Abgang Oskar Lafontaines: Der linke Rechthaber

Mit Oskar Lafontaine verlässt der letzte deutsche Politiker alten Schlags die politische Bühne. Der Volkstribun und Egomane hat viele fasziniert und noch mehr enttäuscht.

Kommentar Linkspartei: Bartschs Bürde

Am Tag nach Lafontaines Abgang sucht die „Linke“ jetzt den „Dritten Weg“. Führen muss der jedenfalls endlich in eine Richtung: Nach vorne.

Linkspartei nach Lafontaine-Rückzug: Jung und weiblich favorisiert

Nach dem Rückzug Oskar Lafontaines als Kandidat für den Parteivorsitz der Linken mehren sich die Stimmen für eine weibliche Doppelspitze. Am Mittwochmittag soll es eine Erklärung geben.

Führungsstreit in der Linkspartei: Doch nicht unersetzlich

Oskar Lafontaine zieht seine Kandidatur für den Parteivorsitz zurück. Ist der Weg frei für Gegenkandidat Dietmar Bartsch? Auch mehrere Frauen sind mittlerweile in der Spur.

Führungsstreit Linkspartei: Lafontaine zieht Kandidatur zurück

Lafontaine zieht seine Kandidatur für den Linke-Vorsitz zurück. Er habe zwar sehr viel Unterstützung erhalten, die innerparteilichen Auseinandersetzungen könne er jedoch nicht befrieden.

Streit der Woche: Stirbt die Linkspartei?

Miese Ergebnisse bei den Landtagswahlen, Absturz in Umfragen und ein zermürbender Machtkampf um den Chefposten. Die Linke hat schon bessere Zeiten gesehen.

Machtkampf um Führung der Linkspartei: Geht das auch in Teilzeit?

Die Sächsin Sabine Zimmermann traut sich zu, die Partei zu führen. Auch Katharina Schwabedissen und Katja Kipping sind im Gespräch. Und Sarah Waterfeld. Sarah wer?

Machtkampf in der Linkspartei: Die Zwei-Parteien-Partei

Lafontaine oder Bartsch? West oder Ost? Der Machtkampf um die Führung lähmt die Linkspartei. Wie so oft in der Krise sollen es jetzt die Frauen richten. Davon ist abzuraten.

Kommentar Linkspartei: Der Magier Oskar

Lafontaine muss sich dazu herablassen, gegen Bartsch anzutreten, oder verzichten. Verloren hat er so oder so. Klug wäre es, nach Gysis Wink, den Rückzug anzutreten.