taz.de -- Berliner Medienwelt: Neonazi durchgerutscht
Der "Tagesspiegel" blamiert sich mit einer Anzeige des NPD-Landeschefs und spricht von einem "Versehen".
Eigentlich weiß der Tagesspiegel, um was für einen Laden es sich beim „Hexogen“ in der Brückenstraße im Berliner Südosten handelt. Vom „Nazishop“ ist in den Artikeln die Rede und vom „neuen Laden der Neonazi-Szene in Schöneweide“. Auch über den Ladeninhaber berichtet das Blatt, den NPD-Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke und von dessen „guten Verbindungen in das militante Spektrum“. Erwähnt wurde auch, dass der Laden in diesem Jahr mehrfach von Polizei und Staatsanwaltschaft durchsucht wurde.
Inhaber genannt
Diese Erkenntnisse hat die Redaktion der Zeitung. Die Anzeigenabteilung, die wie überall streng von der Redaktion getrennt ist, liest das eigene Blatt offenbar nicht. Am 19. Mai druckte der Tagesspiegel eine Anzeige des „Hexogen“, in der sogar „Inh. S. Schmidtke“ steht. Natürlich findet sich dort keine Erläuterung, wer dieser Schmidtke ist. Unkommentiert darf jener Nazi werben, den der Verfassungsschutz in seinem jüngsten Bericht als „führenden Aktivisten der Neonazi-Gruppierung ’Autonome Nationalisten‘“ bezeichnet.
Im Tagesspiegel-Verlag gibt man sich zerknirscht. Es sei ein Versehen gewesen, heißt es: „Natürlich veröffentlichen wir keine Anzeigen, die einen Bezug zu rechtsextremen Personen und Gruppierungen haben.“ Die „Hexogen“-Anzeige fand den Weg über die Internetseite quiez.de in die Zeitung, einem – so die Eigenwerbung – „bezirks- und kiezorientierten Stadtteilportal für Berlin“. Der Tagesspiegel ist an dieser Seite beteiligt.
Schmidtke sagte der taz, dass die Leserschaft des Tagesspiegels eine interessante Zielgruppe sei. Er werde versuchen, auch in anderen Berliner Zeitungen „um Kundschaft zu werben“. Beim Tagesspiegel dürfte er keinen Erfolg mehr haben. In Zukunft wird dort die Anzeigenabteilung wohl genauer hinschauen, wer auf ihren Seiten inserieren möchte. Und dann im Zweifel nein sagen. Denn wenn eine Anzeige ihren Grundsätzen widerspricht, darf eine Zeitung deren Abdruck ohne Probleme ablehnen.
7 Jun 2012
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