taz.de -- Spanien und Italien - oder doch Kroatien?: Die Angst vorm 2:2

Vor dem letzten Spieltag hadert Italien mit den Regeln der Uefa. Ein torreiches Unentschieden zwischen Spanien und Kroatien – und Italien wäre ausgeschieden.
Bild: Statt über mögliche Spielabsprachen zu spekulieren, sollten sich die Italiener ihren Gegnern widmen. Deren Trainer: Giovanni Trappatoni.

Geschichte wiederholt sich. Wirklich. Zumindest Fußball-Italien erlebt gerade ein böses Dejá-vu: Obwohl ungeschlagen haben sie es vor dem letzten Gruppenspiel der Europameisterschaft nicht selbst in der Hand, die nächste Runde zu erreichen. Ein 2:2-Unentschieden von Spanien und Kroatien würde Italien aus dem Rennen nehmen, selbst wenn sie Irland mit 15:0 schlagen.

Schuld daran sind die Gruppenkonstellation und die Regeln der Uefa, in der bei Punktgleichheit der direkte Vergleich wichtiger ist als die Tordifferenz. In der Gruppe stehen die Italiener nach ihren beiden 1:1-Unentschieden gegen [1][Kroatien] und [2][Spanien] bei zwei Punkten. Besiegen sie die Iren, haben sie fünf Zähler. Die verbliebenen Konkurrenten Kroatien und Spanien haben jeweils vier Punkte, könnten mit einem Unentschieden im direkten Duell also auch auf fünf Punkte kommen.

Und dann würde der Dreiervergleich zählen. Hier haben alle drei Teams wegen der Unentschieden 2 Punkte. Da die Tordifferenz logischerweise ausgeglichen ist, zählt die Anzahl der geschossenen Tore im Dreiervergleich. Hier hat Italien unverrückbare zwei Treffer. Bei einem 2:2 (oder 3:3, 4:4) würden Kroatien und Spanien mit je drei Toren vorbeiziehen. Italien ist dagegen machtlos.

Dies ist quasi eine Regellücke des Uefa-Prinzips, den direkten Vergleich zu stärken, und eine sehr seltene Konstellation. Doch ausgerechnet Italien war 2004 in der exakt gleichen Situation: Zum Auftakt gab es ein 0:0 gegen Dänemark und ein 1:1 gegen Schweden, die jeweils Bulgarien besiegten. Vor dem letzten Spieltag befürchteten viele Leute einen skandinavischen Friedensschluss – und tatsächlich endete das Duell Dänemark-Schweden 2:2.

Was allerdings kaum eine Manipulation war: Das Nord-Duell verlief rasant, das 2:2 fiel durch ein sehr spätes Tor. Und Italien hatte sowieso von allen drei Teams am knappsten gegen Bulgarien gewonnen, wäre also auch über die „normale“ Tordifferenz rausgeflogen.

Da sich an solche Feinheiten aber keiner mehr so genau erinnert, ist die Panik in Italien groß. Durch die Blume wird die Sorge vor einer Manipulation ausgeprochen, einem faulen Kompromuss-2:2 zwischen Spanien und Kroatien.

Die wiesen solche Vorwürfte brüsk zurück. „Wer denkt sich so was aus?“, fragte Spaniens Spielmacher Xavi. „Das ist kompletter Schwachsinn.“ Verteidiger Raúl Albiol bezeichnete die von italienischen Medien lancierten Absprache-Möglichkeiten als „Dummheit“ und „lächerlich“. Der kroatische Trainer Slaven Bilic bezeichnete eine mögliche Schiebung am Samstag ebenfalls als ausgeschlossen. „Der Teil des Gehirns, der solche Sachen beinhaltet, existiert bei uns nicht“, sagte der 43-Jährige „Ich verspreche den Italienern: Leute, fürchtet euch nicht davor.“

Es ist freilich wirklich unwahrscheinlich, dass Spanien-Kroatien exakt 2:2 endet. Spanien präsentierte sich bisher in guter Form, [3][Irland dominierten sie beim 4:0] nach Belieben und offenbar ist sogar Stürmer Torres pünktlich in Form gekommen. Kroatien dürfte defensiv auftreten und auf den einen Konter hoffen. Sollte der Spielverlauf allerdings zufällig auf ein 2:2 hinauslaufen – dann könnte man sich schon vorstellen, dass das Risiko in den Schlussminuten bei beiden Mannschaften etwas zurückgefahren wird. Das ist ärgerlich für Italien, aber nicht zu ändern.

Falls Kroatien-Spanien einen Sieger findet oder 0:0 endet, wäre die Höhe des italienischen Sieges übrigens egal. Endet Spanien und Kroatien 1:1, wäre der Dreiervergleich also komplett ausgeglichen, scheidet aus, wer am knappsten gegen Irland gewonnen hat. Und da haben [4][Spanien (4:0)] und [5][Kroatien (3:1)] gut vorgelegt.

Italien sollte also gewinnen (andernfalls sind sie ohnehin raus), und zwar möglichst hoch. Immerhin hierfür stehen Italiens Chancen gut. Das teilverjüngte Team trat bisher auch überzeugend auf, lieferte sich mit Spanien eines der besten Spiele des Turniers und dominierte Kroatien über weite Strecken. Bei den Iren hingegen funktioniert momentan nicht mal die vor dem Turnier gelobte Defensive, sie kassierten sieben Tore in zwei Spielen.

Sollte sich die Geschichte dennoch wiederholen, muss Italien zumindest nicht ganz traurig sein. Nach dem bitteren EM-Aus 2004 kam eine WM. Und den Titel holte damals … genau!

18 Jun 2012

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AUTOREN

Michael Brake
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