taz.de -- Schlecker-Mitarbeiterin siegt vor Gericht: „Diese Kündigung ist sozialwidrig“

Weil es eine Kollegin mit weniger Sozialpunkten gab, die bleiben durfte, muss eine Schlecker-Beschäftigte nun wieder eingestellt werden. Das Urteil könnte für Schlecker teuer werden.
Bild: Die Regale sind leer, aber die Jobs sind noch umkämpft.

STUTTGART dpa/dapd | Eine gekündigte Schlecker-Mitarbeiterin hat als Erste in Baden-Württemberg erfolgreich auf Wiedereinstellung geklagt. Sie könnte einen für das insolvente Unternehmen teuren Prozess losgetreten haben. Das Arbeitsgericht Heilbronn entschied, „dass diese Kündigung sozialwidrig und damit unwirksam ist und den Beklagten verurteilt, die Klägerin weiterzubeschäftigen“.

Das teilte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am Donnerstag mit. Einem Gerichtssprecher zufolge hat das Urteil eine gewisse Signalwirkung, weil sich andere Gerichte daran orientieren könnten. Deutschlandweit sind mehr als 4.500 Kündigungsschutzklagen anhängig.

Sein Urteil begründete das Gericht unter anderem damit, dass die Klägerin einen Fall aufzeigen konnte, in dem eine vergleichbare Beschäftigte mit weniger Sozialpunkten – dazu zählen Alter und Kinder – nicht gekündigt wurde. Zudem habe der Beklagte, die Schlecker-Insolvenzverwaltung, die Sozialauswahl nur unvollständig begründet. Geklagt hatte eine langjährige Leiterin einer Schlecker-Filiale. Sie war bei der ersten Kündigungswelle der insolventen Drogeriekette am 28. März zum 30. Juni betriebsbedingt gekündigt worden.

Sie wird zwar nie mehr bei der insolventen Drogeriemarktkette verkaufen können, weil die letzten Filialen am Mittwoch endgültig dicht machten. Aufgrund des Urteils hat sie allerdings das Recht auf rückwirkende Gehaltszahlungen. Das wären die Gehälter von April an, die bislang die Arbeitsagentur über die Ansprüche bezahlt haben dürfte, so der Gerichtssprecher.

Die Arbeitsagentur könnte sich das Geld vom Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz zurückholen. Den Rest müsste die Klägerin dann von der Insolvenzverwaltung bekommen. Geiwitz hatte die Kündigungsschutzklagen als einen Grund genannt, warum die Suche nach einem Investor für Schlecker scheiterte – und das Risiko insgesamt auf mindestens 100 Millionen Euro beziffert. (AZ: 8 Ca 71/12)

28 Jun 2012

ARTIKEL ZUM THEMA

Schlecker-Pleite drohte schon 2009: Die Familie geht vor

Anton Schlecker wusste anscheinend schon vor Jahren, das seiner Drogeriekette die Insolvenz drohte und sorgte vor. Es kam zu „verdächtigen unentgeltlichen Vermögensübertragungen“.

Hausdurchsuchungen wegen Schlecker-Pleite: Mit Rabatt ist nicht zu rechnen

In Stuttgart hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Anton Schlecker eingeleitet. Es besteht der Verdacht auf Untreue und Insolvenzverschleppung.

Tochtergesellschaft von Schlecker: Zu statt XL

Diese Nachricht kostet mehr als 1.100 Mitarbeiter ihren Job: Auch die Schlecker-XL-Filialen der insolventen Drogeriemarktkette schließen. Hoffnung gibt es wohl noch für die Tochter Ihr Platz.

Schlecker-Pleite: Arbeitsagentur zahlte 133 Millionen

Insolvenzgeld und Sozialabgaben: Die Pleite von Schlecker ist teuer für die Arbeitagentur. Probleme macht das der Behörde aber nicht: „Wir haben genügend Geld“, sagt ein Vorstand.

Umschulungen bei Schlecker: Ministerin falscher Hoffnungen

Ursula von der Leyen habe die Umschulungsbedingungen für Erzieherinnen nicht beachtet, sagen die Grünen. Drogerie-Beschäftigte würden „hinters Licht geführt“.

Umschulung von Schlecker-Angestellten: Die Verkäuferin als Pflegerin

Tausende Schlecker-Verkäuferinnen suchen nach Arbeit. Arbeitsministerin von der Leyen findet, sie könnten auch als Pflegerinnen und Erzieherinnen arbeiten.