taz.de -- CO2-Grenzwerte für Autos: Später durchatmen
In Brüssel kämpfen deutsche Autokonzerne gegen italienische um neue EU-Vorgaben für den CO2-Ausstoß. Aber die Reform verschieben wollen beide.
BRÜSSEL taz | Die deutsche Automobilindustrie hat den Streit über CO2-Grenzwerte für Autos in der Europäischen Union neu entfacht. Eigentlich hatte die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard geplant, ihre Vorschläge dazu heute vorzustellen.
Das Papier ist fertig. Alle Hersteller sollen demnach je nach Größe und Schwere ihrer Fahrzeuge bis 2020 zwischen 25 und 29 Prozent CO2 einsparen. Doch nun wurde der Termin auf unbestimmte Zeit verschoben.
In der EU-Kommission heißt es, die Verzögerung sei allein Problemen bei der Terminkoordination innerhalb der Behörde geschuldet. Vor der Sommerpause hätten mehrere Kommissare wichtige Projekte vorzustellen. Der Kalender sei zu voll. Man warte auf einen neuen Termin im Laufe dieses Monats, heißt es.
Aber Klimaschützer gehen davon aus, dass die deutschen und die italienischen Autohersteller mit ihrer Lobbyarbeit eine vorläufige Blockade in Brüssel erwirkt haben. „Die EU-Kommission hat sonst keine Probleme damit, mehrere Projekte gleichzeitig vorzustellen. Dahinter steckt mehr als ein Terminproblem“, sagt Franziska Achterberg vom Brüsseler EU-Büro von Greenpeace.
Zwischen den deutschen und den italienischen Herstellern tobt ein wahrer Lobbykrieg. Allen voran BMW hat gefordert, die Berechnung der geforderten CO2-Reduzierung zu ändern. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, den CO2-Ausstoß im Durchschnitt bis 2020 auf 95 Gramm pro Kilometer zu verringern.
Anteilig müssen die Hersteller, deren Autos bisher besonders viel davon ausstoßen, mehr tun als die Hersteller kleinerer Fahrzeuge. BMW beispielsweise soll zwischen 2015 und 2020 von 138 Gramm auf knapp 100 Gramm pro Kilometer kommen. Fiat dagegen muss nur 31 Gramm einsparen. BMW fordert nun, dass alle Hersteller gleichermaßen 35 Gramm einsparen sollen. „Das würde die deutschen Produzenten von großen Luxusautos, die besonders viel Schadstoffe ausstoßen, bevorzugen“, sagt Franziska Achterberg.
Dagegen wehren sich nun die italienischen Hersteller wie Fiat, die eher kleinere Fahrzeuge produzieren, mit einer breiten Pressekampagne. „Das wäre ein völlig unausgeglichener Vorschlag, der ein einziges Land bevorzugen würde“, beklagt der Chef des italienischen Automobilverbandes, Roberto Vavassori. In einem sind sich allerdings beide Gruppen einig: Die Reduzierung der CO2-Werte soll um weitere zwei Jahre auf 2022 nach hinten verschoben werden.
2 Jul 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Dank der Bundesregierung tun die neuen CO2-Grenzwerte für Autos der Industrie vorerst nicht weh. Dennoch sind die besser als nichts.
Die EU ändert die Grenzwerte für den CO2-Ausstoß von Autos. Umweltschützer kritisieren die geplante Verrechnung von Spritschluckern als halbherzig.
Bei den CO2-Grenzwerten für Neuwagen kommt das Europaparlament den deutschen Autoherstellern entgegen. Die Lobby ist trotzdem unzufrieden.
Barack Obama will den US-Spritverbrauch bis 2025 mit einem neuen Regelwerk um die Hälfte reduzieren. Für Trucks gibt es Ausnahmen.
Fiat-Chef Sergio Marchionne wirft Volkswagen ein „Blutbad“ bei der Preisgestaltung vor. Der größte deutsche Autobauer antwortet mit klaren Worten.
Der Vorschlag von EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard zu Grenzwerten für den CO2-Ausstoß für Autos ist wenig ambitioniert. Trotzdem beweist sie damit Mut.
Der Klimawandel kostet Unsummen, immer mehr Umweltprojekte in armen Ländern könnten anlaufen. Doch denen fehlen die Mittel. Und die Industrieländer müssen sparen.
Schäden an Gesundheit und Umwelt kosten in der EU jährlich mindestens 100 Milliarden Euro. Bei den großen Verschmutzern sind deutsche Kohlekraftwerke vorn dabei.
Die Küstenschifffahrt sieht ihre Wettbewerbsfähigkeit durch strenge Schwefelgrenzwerte gefährdet. Doch ihr Treibstoff ist viel schädlicher als LKW-Diesel.