taz.de -- Kommentar EU-Referendum: Säbelrasseln für die Galerie

Wiederholt schon haben sich britische Parteien über die EU heftig zerstritten. Jetzt sind es die Tories, die ohne Not die EU-Mitgliedschaft auf die Tagesordnung setzen.

Europa hatte schon immer das Potenzial, britische Parteien zu spalten. In den achtziger Jahren zerbrach Labour daran und verharrte zwei Jahrzehnte in der Opposition, in den Neunzigern waren es die Tories, die sich über Europa zerstritten.

Warum setzt der britische Premier David Cameron das Thema ohne Not jetzt wieder auf die Tagesordnung?

Es hat wie stets innerparteiliche Gründe. Mehr als hundert Tory-Abgeordnete trauen ihrem Premier in Bezug auf Europa nicht. Bei vielen geht die Angst vor der europafeindlichen „United Kingdom Independence Party (Ukip)“ um, die bei den Kommunalwahlen gut abschnitt.

Um die Nerven seiner Hinterbänkler zu beruhigen, hat Cameron in seinem Artikel im Sunday Telegraph also geschrieben, er habe nichts gegen ein Referendum.

Die Taktik ist nicht nur kurzsichtig, sondern sie geht auch nicht auf. Er hat mit seinem äußerst vagen Hinweis auf einen Volksentscheid keineswegs für vorläufige Ruhe in den eigenen Reihen gesorgt, sondern die Euroskeptiker ermutigt, von ihm nun konkrete Pläne zu verlangen.

Cameron hat sich aus Schwäche in eine Situation manövriert, in der er in den nächsten Wahlkampf mit dem festen Versprechen eines Referendums ziehen muss.

Darüber hinaus riskiert er einen Bruch der Koalition. Bisher hatte er sich mit seinem europafreundlichen Koalitionspartner Nick Clegg von den Liberalen Demokraten auf die Formel geeinigt, dass die Mitgliedschaft in der EU richtig sei und das Fernbleiben vom Euro ebenfalls.

Mit seinem Referendum-Vorstoß bringt er Clegg in Bedrängnis. Die Liberalen haben bisher nichts durchbekommen, sondern immer nur Tory-Politik abgenickt. Bei der Debatte um die EU-Mitgliedschaft wird Clegg die Notbremse ziehen, um nicht auch noch die letzten Wähler zu verprellen.

3 Jul 2012

AUTOREN

Ralf Sotscheck

TAGS

Großbritannien

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar EU-Haushalt: Der geführte Premierminister

Bisher hat David Cameron das Dilemma britischer Konservativer bei der Europapolitik umschifft. Doch nun kommt er daran nicht mehr vorbei.

Klage gegen Eurokrisen-Management: Einspruch lohnt sich

Rund 37.000 Bürger unterstützen den Gang des Vereins „Mehr Demokratie“ vor das Verfassungsgericht. Egal wie das Urteil ausfällt: Die Organisation profitiert.

Cameron sagt zum Medienskandal aus: Fünf Stunden voller Erinnerungslücken

Der britische Premier David Cameron hat ausgesagt. Vor dem Untersuchungsauschuss zum Phonehacking-Skandal flüchtete er sich allerdings in Platitüden.

Eurokrise: Immer mehr Gegner für Merkel

Details einer neuen EU-Finanzarchitektur sickern durch, sie stehen im Widerspruch zur Politik der Bundesregierung. Die Appelle an Merkel, ihre Position zu ändern, häufen sich.

Reaktionen auf Frankreichwahl: Politiker zufrieden, Börsen verunsichert

Nach dem Hollande-Sieg zeigen sich Sigmar Gabriel und Rainer Brüderle optimistisch. Asiens Börsen wurden durch die Wahlergebnisse in Frankreich und Griechenland jedoch beunruhigt.

Kommunalwahlen in Grossbritannien: Halbzeit-Denkzettel für Cameron

Aus Protest gegen konservative Sparpolitik legt Labour zum ersten Mal seit Jahren bei einer britischen Kommunalwahl zu. Sie erreichte ihr Ziel: 700 Sitze mehr.

Premier Cameron als Spendensammler: Candlelight-Dinner in Downing Street

23 Millionen Pfund haben die illustren Gäste für die britischen Konservativen lockergemacht, um privat mit dem Premier zu speisen. Natürlich, ohne Einfluss zu nehmen.