taz.de -- Kolumne London Eye: Die Spiele machen high

Proteste gegen Olympia? Spielverderber! Die Londoner lieben die Spiele und spüren jetzt eine Art Uplift. Sie sind glücklich und lächeln.
Bild: Lachen, Jubel, glücklich sein: Die Briten sind im Olympiafieber und feiern die Spiele, so wie hier beim Kanuslalom

Es regnet wieder. Die Londoner verkriechen sich in ihren Stuben und machen die Glotze an. Alle haben sie heute ein bisschen Olympia geguckt und sind fast alle davon gefesselt.

Manche, diejenigen mit genug Mazel, um an Olympiatickets ranzukommen, sind voll durchgedreht. Ihnen fehlen die Worte: wunderbar, fantastisch, super! Sie meinen die außergewöhnliche Atmosphäre und die Internationalität der Zuschauer.

Nur auf London LBC Talk Radio, dort wo die steckengebliebenen Autofahrer und Gelangweilten anrufen, ist man nicht guter Laune. Es herrscht Empörung über leere Sitze. Sogar Michelle Obama hätten die Organisatoren irgendwo in Wimbledon zwischen die Zuschauer reingequetscht, obwohl ganze Sitzreihen, ja sogar die Loge der Königin frei war! Dass die First Lady angeblich auf eigenen Wunsch mit Venus Williams in der Loge für Angehörige der Spieler sitzen wollte, glauben sie nicht.

Olympiauninteressierte Londoner kümmert dies noch weniger, aber immerhin freunden auch die sich langsam mit den Spielen an. Obwohl ihnen das ganze Drumherum eigentlich egal war, ja sogar gegen den Strich ging, spüren sie jetzt irgendeine Art Uplift.

Ein Trip ganz ohne Drogen

„Alle sind glücklich, lächeln und reden miteinander“, sagt Supermarktkassierer Paul, der heute wegen der längeren Olympialadenzeit zwei Stunden früher als sonst schuften musste. Das mache ihm, genauso wie vielen anderen Londonern, aber nichts aus, nicht mal der längere Weg zur Arbeit aufgrund umgeleiteter Busse störe.

Es ist ein Olympiatrip ganz ohne Doping und Drogen, genauso soll es ja auch sein bei Olympischen Spielen. Aber wer hätte gedacht, dass fast die ganze Stadt davon high werden kann?

31 Jul 2012

AUTOREN

Daniel Zylbersztajn
Daniel Zylbersztajn

TAGS

Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne London Eye: Schwimmen statt Saufen

Wie kann man Sport zum permanenten Erlebnis machen? Kann er eine Alternative zum Regen und zum Trinken sein? Das fragen sich die Londoner.

Dopingkontrolleur bei Olympia: Mit einem Gläschen Pipi durch die Stadt

Stefan Rosiejak ist einer der freiwilligen Dopingkontrolleure in London. Ihn fasziniert die Standardisierung der Tests. Also fährt er durch die Stadt und sammelt Urinbecher ein.

Kolumne London Eye: Hilfe, Gespenster!

Das Schlossgespenst Hui Buh ist in London angekommen. Überfüllte U-Bahnen und abgesperrte Straßen. Da bleiben die Londoner lieber zu Hause oder flüchten ganz aus der Stadt.

Fahrraddemo gegen Olympia in London: Tränengas für die Kritiker

Fahrraddemonstranten protestieren gegen Olympia und werden festgenommen. Nun erhalten sie Hilfe von der Chefin von „Liberty“, die bei der Eröffnung die Olympiafahne trug.

Olympiaboxen soll härter werden: Ein Schlag direkt ins Gesicht

Das olympische Boxen ist dabei sein Gesicht zu verändern. In den nächsten Jahren soll der Kopfschutz verschwinden. Es sollen Helden kämpfen, keine Amateure.

Streit um den Degenkampf: Die Schummelmedaille

Die Uhr ist im Degen-Finale nicht weitergelaufen. An die Frage, ob das in Ordnung sei, kann sich keiner erinnern. Nur die vielen Tränen der Verliererin bleiben im Kopf.

Medaillenlose deutsche SchwimmerInnen: Unprofessionell und naiv?

Keine Medaillen, nirgends: Die ratlosen Mienen der deutschen SchwimmerInnen sagen viel über Anspruch und Wirklichkeit beim Deutschen Schwimm-Verband.

Olympia – Gewichtheben: Das Auge hebt mit

Die Weltmeisterin Li Xueying gewinnt Gold. Interessanter aber ist die Zweitplatzierte: Eine gewisse Pimsiri Sirikaew, an der nichts feminin wirkt – außer einem unscheinbaren Ohrring.