taz.de -- „Politische Feinsteuerung“ der Wirtschaft: Chinas Wachstum schrumpft

Die Konjunktur in China ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Das Wachstum verlangsamt sich merklich. An den Finanzmärkten wird auf ein Eingreifen der Regierung spekuliert.
Bild: Der Containerhafen von Shanghai ist einer der größten der Welt.

PEKING dpa/dapd | China Wirtschaft verliert immer mehr Schwung. Den jüngsten Rückschlag dokumentieren Daten zur Industrieproduktion: Für Juli meldete die Regierung am Donnerstag den schwächsten Anstieg seit Mai 2009. Gleichzeitig drückte die sich abflauende konjunkturelle Entwicklung die Inflation in China unter die Marke von 2,0 Prozent. Die Finanzmärkte spekulieren auf schnelle Gegenmaßnahmen der Regierung in Peking.

Der Juli-Zuwachs der Industrieproduktion lag in China im Vergleich zu den westlichen Industriestaaten immer noch bei starken 9,2 Prozent. Aber schon der Vergleich mit Wachstumszahlen aus dem Jahr 2010 zeigt, wie stark die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt an Dynamik verloren hat: Vor etwa zwei Jahren fiel die Wachstumsrate der Industrieproduktion noch etwa doppelt so hoch aus.

Einen Hinweis auf die konjunkturelle Abschwächung liefern auch die jüngsten Preisdaten. Das Abflauen der Wirtschaft lässt sich anhand der Inflationsrate ablesen. Diese ist schon in den vergangenen Monaten immer weiter zurückgefallen. Im Juli sank die Teuerungsrate zuletzt sogar unter die Marke von 2,0 Prozent auf 1,8 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit Anfang 2010.

Mit Blick auf den jüngsten Rückgang der Inflationsrate in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, spekulieren Anleger an den Finanzmärkten auf ein Eingreifen der Regierung, um die Wirtschaft wieder stärker in Schwung zu bringen, sagte Experte Dirk Gojny von der National-Bank in Essen.

Lockerungen der Geldpolitik

Auch Analyst Stefan Große von der Nord LB erwartet, dass weitere Lockerungen der chinesischen Geldpolitik folgen werden. „Mit der geringen Inflation wird zum einen die Gefahr sozialer Unruhen auf dem Land aufgrund der Lebensmittelpreisentwicklung geringer und zum anderen ergibt sich auch weiterer Spielraum für Konjunkturmaßnahmen nicht nur geldpolitischer Art.“

Staatspräsident Hu Jintao hatte bereits angekündigt, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr stärker angekurbelt werden solle. Dabei will die kommunistische Führung den Hebel sowohl bei der Geld- als auch bei der Fiskalpolitik ansetzen. Regierungschef Wen Jiabao betonte, die „politische Feinsteuerung“ solle verstärkt werden. Zuletzt hatte die Zentralbank mehrfach die Leitzinsen gesenkt, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Zudem wurde Banken die Kreditvergabe erleichtert.

9 Aug 2012

ARTIKEL ZUM THEMA

Sachbuch von Paul Krugman: Sparen macht arm

Selten war ein Buchtitel so klar: „Vergesst die Krise! Warum wir jetzt Geld ausgeben müssen“, heißt das neue Buch des Nobelpreisträgers Paul Krugman.

Vorwürfe gegen Produktion bei Samsung: Kinderarbeit für einen Kinderlohn

Für die Produzenten des Apple-Rivalen Samsung sollen auch Kinder arbeiten, berichtet eine eine chinesische Arbeitnehmerorganisation. Zudem bekämen sie nur 70 Prozent des Lohnes.

Debatte EU-Kritik: Unsere eigenartigen Europa-Kritiker

Bislang ereiferte sich niemand über Europa. Die EU gehörte den Technokraten. Jetzt beginnt im egozentrischen Deutschland eine irrationale Debatte.

Proteste gegen Papierfabrik in Ostchina: Chinas fleißige Wutbürger

In China gibt es täglich hunderte Proteste. Weil sich die Demonstranten von staatlichen Medien schlecht informiert fühlen, organisieren sie sich im Netz.

Kommentar Umweltproteste in China: Chinas Weg zur Zivilgesellschaft

Proteste wie die in Qidong werden für die chinesische Zentralregierung immer schwieriger zu kontrollieren. Und sie machen landesweit Schule.

Geld so billig wie nie zuvor: Zwergenzins soll Europa retten

Die Europäische Zentralbank senkt den Leitzins für die Euro-Zone auf einen neuen Tiefststand. Das kommt Banken in Südeuropa zugute. Ökonomen sehen eher eine Symbolwirkung.