taz.de -- Kommentar Vertrag mit den Muslimen: Viel Symbol, wenig Praxis

Der Vertrag zwischen Hamburg und den muslimischen Verbänden verändert wenig an der Realität.
Bild: Geht auch ohne Vertrag: Tag der offenen Moschee in der Bremer Fathi-Moschee

Der gestern in Hamburg vorgestellte Vertrag mit den muslimischen Verbänden ist ein wichtiges Symbol. Erstmals haben es Muslime in Deutschland schriftlich: Ihr gehört dazu.

Wenn es aber ganz praktisch darum geht, die Bedürfnisse der Muslime so zu berücksichtigen wie die der anderen Religionsgemeinschaften, dann kann der Vertrag nur ein erster Schritt zur Gleichbehandlung sein. Denn der Vertrag enthält nichts, wodurch sich im Alltag der Muslime etwas ändern wird. Dass sie zukünftig an drei muslimischen Feiertagen freinehmen dürfen, ist nur dann von Belang, wenn ihnen ihr Arbeitgeber vorher den Urlaub verweigerte.

Eindeutige Antworten auf die Fragen, die vielen Muslimen auf den Nägeln brennen, gibt der Textentwurf nicht. So heißt es zwar, Frauen und Mädchen dürften nicht „wegen einer ihrer religiösen Überzeugung entsprechenden Bekleidung in ihrer Berufsausübung beschränkt werden“ – aber nur, solange dies nicht „ungerechtfertigt“ geschieht. Auf diese Weise lässt sich das Kopftuchverbot für Lehrerinnen aufrechterhalten.

Ähnlich aussagekräftig ist der Satz, in allen Rundfunkprogrammen sollen „die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung einschließlich der muslimischen Bevölkerung geachtet werden“. Aber „unter Wahrung der verfassungsrechtlich garantierten Staatsferne des Rundfunks“.

14 Aug 2012

AUTOREN

Eiken Bruhn

ARTIKEL ZUM THEMA

Bei den Gesprächen um Vertrag zwischen Bremen und seinen Muslimen knirscht es: Bremer Muslime warten noch

Anders als in Hamburg sind Muslime und Landesregierung an der Weser noch beim Verhandeln.