taz.de -- Kolumne Pressschlag: Achtung, der Grömaz kommt!

Kaum rollt der Ball, da treten die üblichen Verdächtigen auf den Plan und nutzen die Bühne zur Selbstdarstellung.
Bild: Manchmal verraten Gesten mehr als Worte: Sammer bei einer Pressekonferenz.

Viel ist nicht mehr von Olympia übrig. Über ein paar olympische Kreuzfahrer, die vor Hamburg gestrandet sind, wurde noch hier und da berichtet, aber damit hat es sich jetzt, denn König Fußball schwingt von nun an das Zepter. Er tut das mit ausladenden Gesten. Jeder soll mitbekommen, dass es jetzt nicht mehr ums Bogenschießen, Vielseitigkeitsreiten und Medaillenzählen geht, sondern um die wahren sportlichen Frontkämpfer: unsere Fußballprofis.

Wortführer waren in den letzten Tagen die üblichen Verdächtigen: Oliver Kahn, Matthias Sammer und Redakteure der Bild-Zeitung. Allen drei Parteien ist gemeinsam, dass sie sich an ihrer eigenen tatsächlichen und imaginierten Bedeutung berauschen und natürlich versuchen, Politik zu machen.

Sammer möchte in München zum Grömaz aufsteigen (größter Vereinsmanager aller Zeiten). Oliver Kahn disst Bundestrainer Joachim Löw, wo es nur geht, weil das gerade opportun ist und die Bild den Boden so schön bereitet hat. Sie ist der Nationalmannschaft nach dem plötzlichen Aus von Pressechef Harald Stenger näher gerückt. War das Nationalteam bis dato ein Staat im Staate des Deutschen Fußball-Bundes, so scheinen die Grenzen nun offener zu sein.

Stengers Nachfolger ist Jens Grittner, ein alerter Mann von 42 Jahren, der das ganze Gegenteil von Stenger zu sein scheint. Grittner ist allem Anschein nach der Verbindungsmann des „großen“ DFB (mit Wolfgang Niersbach und Kommunikationsdirektor Ralf Köttker, ein ehemaliger Springer-Journalist) zum „kleinen“ DFB (Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff).

Stenger war ein erstes Bauernopfer, das Löw angeblich zugelassen hat, um die Gegenseite gewogen zu stimmen. Aber das könnte sich als größerer Fehler erweisen als der taktische Mumpitz, der ihm bei der EM gegen Italien unterlaufen ist. Fakt ist, dass Löw künftig schneller unter Druck geraten wird, sollte irgendetwas nicht richtig rund oder nicht nach dem Geschmack der Springer-Jungs innerhalb und außerhalb des DFB laufen. Das relativ heimelige Werkeln in der Nische könnte für Löw vorbei sein.

Kampf der Alphatiere

Zurück zum Grömaz in spe, der ja den DFB längst hinter sich gelassen hat. Er habe dort ziemlich genervt, rief ihm Niersbach zum Abschied halb im Spaß hinterher. In diesem Punkt hat der DFB-Chef recht: Sammer ist ein ätzender Typ, weswegen der gerade erst installierte Bayern-Nachwuchskoordinator Jörg Butt hingeschmissen hat.

Man darf gespannt sein, wohin das noch führen wird – wenn etwa Alphatier Hoeneß in einer Krisensituation auf Super-Sammer trifft. Dann dürften die Fetzen fliegen. Oder deutet das die Bild-Zeitung dann als kreativen Austausch um? Befremdlich ist auch der leicht belehrende Gestus, mit dem Sammer über Bayern-Coach Jupp Heynckes spricht – ganz so, als müsste er Heynckes in einem Schnellkurs beibringen, wie Siegen geht. Typen wie Sammer können inspirierend auf eine Umgebung wirken, sie können aber auch abstoßen. Die kommende Saison der Bayern wird Aufschluss darüber geben.

17 Aug 2012

AUTOREN

Markus Völker

ARTIKEL ZUM THEMA

Fußball-Nationalmannschaft: Neuer Lehrplan

Am Freitag beginnt gegen Färöer die Qualifikation zur WM 2014. Bundestrainer Löw will mit viel Arbeit gegen den Ball den EM-Frust vertreiben.

Kolumne Pressschlag: Worte zum Spieltag

Saisonauftakt: Darauf hat das ganze Land seit dem 8. Mai gewartet. Endlich wird wieder Fußball gesprochen in Deutschland. Eine Zitatsammlung.

Kolumne Press-Schlag: Ja, ich bin ein Schurke

Sepp Blatter wusste, dass in seinem Verband Schmiergelder flossen. Aber das ist kein Problem. Findet Sepp Blatter.

Kolumne Press-Schlag: Wie im Selbstbedienungsladen

Die Fifa-Funktionäre Havelange und Teixeira waren bestechlich? Echt? Aber es ist schön, dass endlich mal ein paar Details offiziell werden.

Kolumne Press-Schlag: Einfach die Dosis erhöht

In Frankreich und Holland warten auf die neuen Nationaltrainer altbekannte Probleme. Sie müssen aus begnadeten Individualisten schlagfertige Teams formen.

Kolumne Press-Schlag: Deppen – wie gehabt

Die FIFA beschließt, dass Torlinien ab sofort technisch überwacht werden dürfen. Eine Revolution ist das nicht, die Technologie wird das Spiel nicht beeinflussen.