taz.de -- Mafiöse Strukturen in Südafrika: Nashornjagd mit Nachtsichtgeräten
Der illegale Markt für südafrikanische Nashörner ist fest in der Hand vietnamesischer Syndikate. Die Ranger sind völlig überfordert. Nie wurden mehr Tiere erschossen.
BERLIN taz | „Abschlachten.“ Joseph Okori, Nashorn-Experte des Worldwide Fund for Nature (WWF), fällt kein besserer Begriff für das ein, was sich in Südafrikas Savannen abspielt. Während die Regierung die Kontrollen verschärft, drängen immer neue internationale Wildererbanden in das Land. Sie setzen modernste Technik ein, um die Nashörner zu erlegen: von Nachtsichtgeräten über Schallschutzdämpfer bis hin zu Helikoptern.
„Die Ranger haben dem nichts entgegenzusetzen, sie haben keine Chance“, sagt Okori. Eine neue Studie der Internationalen Union für die Bewahrung der Natur (IUCN) und des WWF zeigt jetzt, wie ohnmächtig die Behörden sind: 2005 töteten die Wilderer in Südafrika demnach noch 14 Nashörner im Jahr, 2009 waren es 122, und die Autoren schätzen, dass den Wilderern bis Ende dieses Jahres 532 Tiere zum Opfer fallen werden. Grund ist der anhaltende Hunger nach Nashornprodukten in Staaten wie Vietnam und China.
Während die legale kommerzielle Jagd auf Nashörner durch das Artenschutzabkommen von Washington 1977 stark zurückging, hat sich der Markt in den vergangenen Jahren offenbar in die Illegalität verschoben. Die neue Studie beleuchtet erstmals die Seite der asiatischen Staaten, aus denen die neuen Nashornjäger kommen.
Die vornehmlich vietnamesischen Gruppen traten erst um die Jahrtausendwende auf den Plan, sie sind mittlerweile aber für erhebliche Anteile der illegalen Jagd verantwortlich: Von 150 Wilderern, die die südafrikanische Regierung in diesem Jahr festgenommen hat, stammten 43 aus asiatischen Ländern - 24 davon allein aus Vietnam. „Die vietnamesischen Syndikate haben den Markt komplett übernommen und treiben das gesamte Jagdniveau nach oben“, sagt WWF-Mann Okori.
Viele Verbraucher in asiatischen Ländern vertrauen auf die sogenannte Traditionelle Chinesische Medizin. Sie schreibt dem Horn des Nashorns heilende Wirkung zu, es soll gegen Fieber helfen, den Kater nach durchzechten Nächten abmildern und sogar Krebs heilen. Diverse Studien, zuletzt eine Untersuchung von Raj Amin von der zoologischen Gesellschaft London 2008, belegen: Das Horn ist weit weniger effektiv und heilsam als Medikamente wie etwa Aspirin.
Problem Behördendschungel
Doch der illegale Markt floriert ungehindert. In Vietnam sind acht Behörden in den Kampf gegen illegalen Nashornhandel involviert. Wie die IUCN-Studie aufzeigt, ist dieser Behördendschungel ein großes Problem: Zwischen 2003 und 2009 verschwanden fast 500 legal erbeutete Hörner, die in Südafrika zum Export nach Vietnam deklariert waren - sie traten vor ihrer Registrierung in den inoffiziellen Handelskreislauf ein.
In den südafrikanischen Savannendörfern schafft die externe Nachfrage indes einen inoffiziellen Arbeitsmarkt, wobei die Wilderei-Syndikate die Einwohner regelrecht ausbeuten. Sie bezahlen den von Armut bedrohten Menschen bis zu 500 Euro für ein Horn von zwei bis fünf Kilogramm Gewicht. In Vietnam und China verdienen die Banden dann mit einem Kilogramm Hornpulver zwischen 50.000 und 65.000 Euro.
WWF-Mann Joseph Okori glaubt, dass der Kampf gegen die Wilderei nur erfolgreich sein kann, wenn die Bewohner der Savannendörfer andere Perspektiven erhalten, etwa durch eine Ausbildung zum Ranger. „So profitieren sie auch nachhaltiger“, sagt Okori. „Ein lebendes Tier wollen viele Menschen über mehrere Jahre hinweg sehen, ein gewildertes Horn kann man nur einmal verkaufen.“
22 Aug 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Zahl der gewilderten Nashörner in Südafrika ist im letzten Jahr weiter angestiegen. In Asien werden dem Horn medizinische Wunderwirkungen zugeschrieben.
Zum Jahreswechsel macht der Berliner Zoo Inventur. Das Getier wird gezählt und vermessen – für die Statistik und für das vergebliche Streben nach Klarheit.
Der Handel boomt. Löwenknochen sind als Rohstoff für obskure Arzneien heiß begehrt. Anders als Elefanten und Nashörner haben Löwen aber keine Tierschutzlobby.
Die UN-Artenschutzkonferenz in Indien sucht nach Finanzquellen. Die gewünschten 40 Milliarden Dollar pro Jahr für den Naturschutz sind nicht in Sicht.
Die Bergleute, deren Kollegen vergangene Woche von Polizisten erschossen wurden, stehen unter Schock. Mehr Lohn fordern sie dennoch - bislang ohne Erfolg.
Wilderer machen mit den Stoßzähnen der Elefanten viel Geld. Nun hat Gabun sein beschlagnahmtes Elfenbein demonstrativ verbrannt. Ein Zeichen gegen die Elefantenjagd.
Der WWF rechnet mit weltweit 30 Millionen Arten, von denen 1,7 Millionen bekannt sind. Das Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung geht von 13 Millionen aus.
Nashörner im südlichen Afrika galten im 20. Jahrhundert fast als ausgerottet. Mühsam wurde ein Bestand wieder aufgebaut. Doch die illegale Jagd nimmt wieder zu.
Private Patrouillen und drakonische Strafen sollen die Rhinozeros-Wilderei eindämmen. Gut organisierte Banden profitieren am Geschäft mit dem begehrten Horn.