taz.de -- Kommentar Zuschussrente: Von der Leyens Renten-Waterloo
Die Arbeitsministerin ist mit ihrem Vorschlag zur Zuschussrente alleine. Das ist zum Teil ihre Schuld, zeugt aber auch von Planlosigkeit.
Ursula von der Leyen (CDU) ist eine gewiefte Taktikerin – doch mit ihrer Rentenreform hat sie sich verkalkuliert. Nachdem der Unmut über ihre Reform bei FDP und Union immer größer wurde, lässt auch Angela Merkel ihre Lieblingsministerin abblitzen. Zu groß erscheint der Kanzlerin das Risiko, in das Von-der-Leyen-Bashing hinein gezogen zu werden.
Einiges von dem Debakel hat sich die Arbeitsministerin selbst zuzuschreiben. Ihr Projekt zog sie von Anfang an als One-Woman-Show auf: Die angekündigte Kommission zur Altersarmut schrumpfte zum „Regierungsdialog Rente“, der Regierungsdialog zum Ministerinnenmonolog. Die letzte offene Flanke präsentierte sie ihren Gegnern, als sie neue Schock-Zahlen zur drohenden Altersarmut präsentierte. Die waren zwar nicht falsch, aber etwas willkürlich gewählt.
Keine Frage: Von der Leyens Vorstoß zur Bekämpfung der Altersarmut ist unzureichend. Doch dass er von den eigenen Kollegen jetzt zerschossen wird, zeigt vor allem, dass CDU und FDP kein Interesse daran haben, das Thema Altersarmut ernsthaft anzupacken. Gegenvorschläge für eine steuerfinanzierte Grundrente, von Unionspolitikern ins Spiel gebracht, sind schnell gemacht, aber ein Jahr vor der Bundestagswahl folgenlos. Und die FDP denkt gar nicht daran, mehr Beitrags- oder Steuergelder für die working poor locker zu machen. Private Vorsorge stärken, lautet nach wie vor das für viele Geringverdiener wirkungslose Mantra.
Dass die Union im kommenden Wahlkampf beim Thema soziale Gerechtigkeit blank da steht, könnte sich aber noch rächen. Zwar liegt den Bürgern die Leistungsgerechtigkeit, an der die Zuschussrente kratzt, am Herzen. Aber sie empören sich zunehmend auch über Minirenten am Ende eines Arbeitslebens.
6 Sep 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Vorschläge für die Aufstockung von Kleinrenten berühren heikle Gerechtigkeitsfragen. Das „Verhetzungspotenzial“ ist groß.
CDU-Ministerin von der Leyen und SPD-Chef Gabriel haben ihre Pläne gegen Altersarmut vorgelegt. Darin gibt es feine, aber folgenreiche Unterschiede.
Mehr als 700.000 Rentner beziehen keine Grundsicherung, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten. Eine Studie sagt, sie schämen sich.
Die Sozialministerin möchte eine parteiübergreifende Initiative gegen Alterarmut. Sie begrüßte das Konzept der SPD. Aus der CSU kommt Kritik am Modell der Zuschussrente.
Ihre Zuschussrente kann nur ein kleines Teil des Rentenproblems lösen, sagt die Bundessozialministerin. Auch CSU-Chef Seehofer steigt jetzt in die Debatte ein.
Von der Leyens Zuschussrente hilft nicht. Gerade die Frauen, die ihr angeblich am Herzen liegen, werden durch den Rost fallen.
Die Kanzlerin geht auf Distanz zur Zuschussrente. Ursula von der Leyen bleibt dennoch optimistisch. Und die FDP präsentiert ein eigenes Rentenkonzept.
Momentan besteht finanzieller Spielraum im Rentensystem – von der Leyens Pläne könnten eine Gelegenheit bieten. Vermutlich wird sie an ihren eigenen Leuten scheitern.