taz.de -- Kommentar Staatsanleihen-Kauf der EZB: Die Vernunft siegt
Die Europäische Zentralbank kauft Anleihen von Krisenstaaten. Das ist die einzig richtige Entscheidung, um die Eurozone zu retten.
Die Europäische Zentralbank wird ohne Limit die Staatsanleihen kriselnder Eurostaaten aufkaufen, so hat es [1][EZB-Präsident Mario Draghi verkündet]. Das Aufjaulen, dass die Entscheidung nun in Deutschlands Politik und Mainstream-Medien auslösen wird, ist absehbar. Doch die Empörung ändert nichts daran, dass Draghis Entscheidung die einzig richtige ist, um das Überleben der Eurozone zu sichern.
Die Hetzjagd der Finanzmärkte auf angeschlagene Euroländer wie Griechenland und Spanien lässt sich nur beenden, wenn die EZB den Spekulanten kompromisslos die Stirn bietet und den taumelnden Staaten eine Perspektive bietet. Das bedeutet noch lange nicht, dass Europa in einem Schuldenmeer versinkt. Doch die EZB steht in der Pflicht, Nulltoleranz gegenüber Angriffen walten zu lassen, die auf die Integrität der Währungszone abzielen.
Das EZB-Direktorium, das nicht gerade in dem Ruf steht, eine lässige Geldpolitik zu betreiben, hat sich mit großer Mehrheit für diesen Schritt entschieden. Bundesbankchef Jens Weidmann, der wohl dagegen stimmte, steht nun vollends isoliert da.
Weidmann ist ein ausgewiesener ideologischer Hardliner, der ohne Zögern den Gang in die ökonomische Katastrophe einer Aufweichung seiner realitätsfernen Vorstellungen stets vorziehen würde. Als Günstling von Angela Merkel wurde er auf die Position des Bundesbankchefs manövriert.
Selbst große Auftritte im Vorfeld der gestrigen Entscheidung wie im Spiegel konnte Weidmann nicht dazu nutzen, plausible Alternativen zur Überwindung der Krise darzulegen. Als geistiger Erbfolger seines Vorgängers Otmar Issing gehört er mitsamt seinen neoliberalen Vorstellungen zu den gefährlichsten Männern Europas.
Die Mainstream-Medien werden dennoch an ihrer Vasallentreue zu Weidmann festhalten und die Bevölkerung in der Eurokrise mehr mit Stimmungen als mit Informationen versorgen. Ganz nach dem alten Geisterfahrerwitz fährt der isolierte Deutsche den richtigen Kurs: „Wieso ein Geisterfahrer? Es sind Hunderte!“ Immerhin hat der Konflikt Weidmann gegen EZB nachdrücklich bewiesen, dass der Bundesbankchef eine Fehlbesetzung ist. Je eher Jens Weidmann nun seinen Platz räumt, desto schneller lässt sich der Schaden begrenzen, den der Währungs-Falke angerichtet hat.
6 Sep 2012
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