taz.de -- Kommentar Netanjahu vor der UN: Der vor dem Iran warnt
Das, was Benjamin Netanjahu vor der UN-Vollversammlung eigentlich sagen wollte, sprach er nicht aus.
Eben hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sich in Washingtoner Regierungskreisen noch unbeliebt gemacht, indem er Wahlkämpfer Barack Obama vorwarf, keine „rote Linie“ im Atomstreit mit dem Iran zu ziehen. Vor der UNO [1][griff der Premier nun selbst zum roten Filzschreiber] und zog auf der eher kindlichen Darstellung einer Bombe mit brennender Zündschnur seine rote Linie: In drei bis sechs Monaten werde der Iran die Atombombe haben.
„Der vor dem Wolf warnt“ könnte dieses Szenario genannt werden. Denn was Netanjahu wirklich meinte, sprach er nicht aus: Vorher müsse man Teheran daran hindern – notfalls mit Gewalt.
Die Warnung vor der „unmittelbar bevorstehenden Bombenfähigkeit“ des Iran aber wird nun schon seit vielen Jahren verbreitet. Und jede neue Behauptung dieser Art straft die vorausgegangene Lügen. Es jetzt mit einer Bomben-Karikatur zu versuchen, ist sicher mal was Neues. Aber da war der Versuch Colin Powells doch noch um einiges ernsthafter, der Welt anhand gefälschter oder falsch interpretierter Fotos weiszumachen, dass der irakische Diktator Saddam Hussein an Massenvernichtungswaffen bastle. Die Welt weiß längst, dass nichts an der Behauptung stimmte.
Aber auch Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad überraschte vor der UNO. Es sei sein Land, das sich bedroht fühle durch die Gefahr eines israelischen Atomangriffs. Sonst zeigte er sich eher zurückhaltend, von „roten Linien“ sprach er nicht, aber trotz aller Kritik an der Hegemonie-Rolle der USA sei er zum Gespräch mit den Amerikanern bereit. Das kann er haben: Die Atomgespräche sind ja nicht abgesagt. Und im Dezember soll in Helsinki über einen atomwaffenfreien Nahen Osten gesprochen werden. Unter anderem mit Amerikanern und Israelis. Und das ohne „rote Linien“.
28 Sep 2012
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