taz.de -- Kommentar Nachrichtenagentur dapd: Heuschrecke im Größenwahn

Die Pleite der Nachrichtenagentur dapd bestätigt ein Ressentiment über Finanzinvestoren: Wenn sie die Lust verlieren, ziehen sie ihr Geld ab.
Bild: Peter Löw ist Aufsichtsratsvorsitzender der dapd.

Der Begriff Zahlungsunfähigkeit als Begründung für die Insolvenz der Nachrichtenagentur dapd ist irreführend. Es ist die Zahlungsunwilligkeit der Eigentümer, die nun rund 300 Arbeitsplätze gefährdet.

Die Multimillionäre Martin Vorderwülbecke und Peter Löw könnten die Agentur durchaus weiter finanzieren – sie wollen aber nicht mehr. Sie sagen, es seien kurzfristig keine Gewinne zu erzielen.

Damit haben sie wohl recht, aber schuld daran sind sie ganz allein. Wie entfesselt haben sie seit der Fusion von ddp und deutscher AP vor zwei Jahren investiert, um den traditionsreichen Branchenprimus dpa niederzukonkurrieren. Das Geschäft mit seriösen Nachrichten wurde zum Spielzeug geltungsbedürftiger Manager, die ihre Ziele für gewöhnlich mit Geld statt Geduld erreichen.

Vorderwülbecke und Löw sind Finanzinvestoren, Heuschrecken – sie kaufen marode Unternehmen billig auf, sparen sie gesund und stoßen sie gewinnbringend ab. Irgendwann sehnten sie sich nach Glanz und schufen dapd aus ihrem Privatvermögen. Fortan schüttelten sie Hände von Bundespräsidenten und Ministern. Das Spiel gefiel ihnen.

Maßlosigkeit folgte: von Konkurrenten teuer abgeworbene Journalisten, Unternehmenszukäufe im In- und Ausland, ein längst undurchsichtiges Geflecht aus Tochterfirmen. Angesichts der Dumpingpreise von dapd war eine kurzfristige Refinanzierung ausgeschlossen. Wenn die Eigentümer nun so tun, als seien sie davon überrascht, ist das schlicht unverschämt.

Ihr Auftreten bestätigt ein Gefühl, das seit ihrem Einstieg nie verflog: die Befürchtung, sie könnten ihr Geld rausziehen, wenn sie die Lust verlieren. Der entgegneten die Eigentümer stets, sie setzten auf ein langfristiges Engagement und eine gesellschaftliche Verantwortung. Dapd war aber für sie nie etwas anderes als manch europäischer Fußballklub für arabische Investoren: Ist der Spaß vorbei, landet das Spielzeug wieder in der Ecke.

3 Oct 2012

AUTOREN

Torsten Landsberg

TAGS

dapd
dapd
dapd

ARTIKEL ZUM THEMA

dapd Insolvenz und der Investor: Einer gewinnt immer

Die insolvente Nachrichtenagentur dapd kämpft um den Vertrag mit Associated Press, dabei könnte die Kündigung der Lizenzvereinbarung dem Investor recht sein.

Insolvenz der „dapd“: Unsportliche Agentur

Die Nachrichtenagentur „dapd“ streicht Stellen. Für den Video- und den Sportdienst der angeschlagenen „dapd“ könnte es bald vorbei sein.

Insolvenz dapd: Jeder Dritte muss gehen

Bei der insolventen Nachrichtenagentur beginnt die Sanierung. 100 der 299 Agenturmitarbeiter müssen gehen. Ende November läuft das Insolvenzgeld aus.

Nach Insolvenz von dapd: Hört die Signale, freie Journalisten!

Der Niedergang der Nachrichtenagentur dapd sollte für jeden Freiberufler im Journalismus eine letzte Warnung sein. Es gibt drei Auswege.

Pleite der Nachrichtenagentur dapd: Was für ein hässliches Ende

Die Investoren haben der Nachrichtenagentur dapd den Geldhahn zugedreht. Die Insolvenz trifft die Mitarbeiter völlig unvermittelt.