taz.de -- Kommentatr zum Vatileaks Skandal: Vatikan entsorgt Skandal

Der Vatileaks-Skandal soll nur eine kleine Geschichte gewesen sein. Nach dem Prozess drängt sich aber ein anderer Eindruck auf.
Bild: Begnadigen ja, aber so nah zusammensitzen werden die beiden wohl nicht mehr: Papst Benedikt XVI. und sein ehemaliger Kammerdiener Paolo Gabriele.

Die Wege des Herrn sind unergründlich – das zeigt jetzt auch wieder das von einem Vatikan-Gericht gesprochene Urteil gegen den früheren Kammerdiener des Papstes. Ein großer Skandal war es, der vor erst gut vier Monaten die römische Kurie erschütterte: Die einst gern mit dem Kreml in Sowjetzeiten verglichene Institution, aus der nie wirklich Relevantes nach außen drang, präsentierte sich auf einmal löchrig wie ein Schweizer Käse.

Die Rivalitäten, ja Feindschaften zwischen verschiedenen Seilschaften von Prälaten wurden plötzlich auf dem Marktplatz gehandelt: Viel wurde spekuliert, welcher Kampf vor allem um die ökonomische Macht des Vatikans im Gange war, wer da wem mit Enthüllungen zu schaden versuchte: die Partei des Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz, Angelo Bagnasco, zum Beispiel dem Lager des Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone? Die Opus-Dei-Leute den Salesianern – oder umgekehrt?

Und jetzt sollen wir glauben, dass der große Skandal bloß eine ganz kleine Geschichte war: die Geschichte vom Butler. Von einem Mann, der zu intensiv den Einflüsterungen des Heiligen Geistes gelauscht hatte und sich angeblich ganz allein berufen fühlte, im Saustall Kurie auszumisten, getrieben von glühender Liebe zum Papst.

Doch nach dem Prozess drängt sich ein anderer Eindruck auf: dass Papst Ratzinger und die Kurie die ganze Geschichte runterkochen und schnell zu den Akten legen wollen. Warum sonst wurde der Angeklagte jedes Mal unterbrochen, wenn er er über sein Kontaktnetz reden wollte? Nicht um Aufklärung ging es in diesem Verfahren, sondern einzig darum, den Skandal möglichst schmerzfrei und mit der gewohnten Diskretion zu beerdigen. Paolo Gabriele hat eine schnelle Begnadigung wirklich verdient: Willig spielte er bei dieser Prozessposse mit.

7 Oct 2012

AUTOREN

Michael Braun

TAGS

Papst
Vatikan
Papst

ARTIKEL ZUM THEMA

Papst begnadigt Kammerdiener: Ist ja Weihnachten

Verziehen hat er ihm schon lange. Jetzt hat Papst Benedikt seinen diebischen ehemaligen Kammerdiener auch begnadigt. Aber wieder mit ihm zusammenarbeiten will er nicht.

Urteil im Vatileaks-Prozess: Bewährungsstrafe für Programmierer

In der Vatileaks-Affäre ist ein Computertechniker verurteilt worden. Er soll beim Diebstahl von Dokumenten geholfen haben. Für den Vatikan darf er trotzdem weiter arbeiten.

Mögliches Leck bei Thüringer Polizei: Nicht rauchen, nicht essen

Auf der Suche nach einem Leck bei der Thüringer Polizei zum Papstbesuch 2011 geraten auch zwei Journalisten in den Fokus der Ermittlungen.

Papst-Kammerdiener muss ins Gefängnis: Mildes Urteil im Vatileaks-Skandal

Der Benedikt-Vertraute Gabriele muss wegen Diebstahls 18 Monate ins Gefängnis. Er handelte angeblich als Einzeltäter. Eine Begnadigung scheint wahrscheinlich.

Geständnis im „Vatileaks“-Prozess: Ex-Kammerdiener gesteht

Ein Geständnis, Reue, keine Mittäter: Im Prozess um die Enthüllungsaffäre „Vatileaks“ wird über ein rasches Urteil noch in dieser Woche spekuliert.

Prozessbeginn Vatileaks: Vorsicht vor dem Kammerdiener

Der Prozess um den ehemaligen Kammerdiener des Papstes hat begonnen. Der 46-Jährige soll vertrauliche Dokumente aus der päpstlichen Wohnung gestohlen haben.

Enthüllungsaffäre Vatileaks: Die Papst-Verschwörung

Der ehemalige Kammerdiener Paolo Gabriele ist nicht der einzige Whistleblower in der Umgebung des Papstes. Drei Theorien zu den möglichen Hintergründen der Vatileaks-Affäre.