taz.de -- Kritik am Kraftwerk: Weniger Dampf machen
Einen Aufschub für den Bau des Vattenfall-Kraftwerks in Wedel fordern zwei Initiativen. Der Senat müsse erklären, was der Meiler mit der Energiewende zu tun habe.
HAMBRURG taz | Ein Moratorium für den Bau eines Gas und Dampfturbinenkraftwerks (GUD) des Energiekonzerns Vattenfall in Wedel fordert die Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“. Ohne Alternativen zu prüfen, akzeptiere die Stadt Hamburg „die wirtschaftlichen Interessen von Vattenfall“ und zahle dafür auch noch mindestens 110 Millionen Euro, kritisierte am Montag Manfred Braasch, Hamburger Geschäftsführer der Umweltorganisation BUND und Vertrauensmann der Netzinitiative. Deshalb müsse der Kraftwerksbau „in Ruhe geprüft werden“.
Am morgigen Mittwoch endet die Frist für Einwendungen Betroffener gegen das rund 430 Millionen Euro teure Projekt. Etwa 1.000 Widersprüche von Bürgern aus Wedel und dem Hamburger Stadtteil Rissen wurden am Montag bei der Genehmigungsabteilung des schleswig-holsteinischen Energie und Umweltministeriums eingereicht. Dieses kann sich mit einer Entscheidung aber Zeit lassen. Sowohl der Hamburger Senat als auch Betreiber Vattenfall müssen den Volksentscheid im September 2013 abwarten, mit dem die Netzinitiative die Energieverträge zwischen Hamburg und den Konzernen Vattenfall und Eon Hanse stoppen will.
Mit diesen hat sich die Stadt für zusammen 543,5 Millionen Euro in die Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme eingekauft. Rein rechnerisch entfallen etwa 110 Millionen Euro auf den Bau des GUD. Dieses hatten Senat und Energiekonzern unter dem Etikett „Innovationskraftwerk“ vereinbart (siehe Kasten). Es soll die umstrittene Fernwärmetrasse vom Kohlekraftwerk Moorburg unter der Elbe hindurch und durch Altona überflüssig machen. Als Standort kamen ein Gelände neben der Müllverbrennungsanlage Stellingen sowie das Grundstück des Vattenfall-Kohlekraftwerks Wedel in Betracht. Aus Kostengründen entschied der Konzern sich im Juni für Wedel. Das Kraftwerk solle „modernste Kraft-Wärme-Kopplung“ nutzen und Windstromüberschüsse speichern, versprach Vattenfall.
Die Wirtschaftlichkeit und auch die Bedeutung des Kraftwerks für die Energiewende im Norden aber bezweifelt die Netzinitiative. Der Wirkungsgrad sei mit 88 Prozent zu hoch angegeben, zudem sei das Kraftwerk deutlich lauter als behauptet. Den Lärm befürchten auch die Anwohner in Rissen und Wedel, die nur etwa 200 Meter vom Gelände entfernt wohnen. Zudem sei während der etwa siebenjährigen Bauzeit für das neue Kraftwerk und den Abriss des 50 Jahre alten benachbarten Heizkraftwerks mit erheblichen Belästigungen zu rechnen.
Ein solches Großkraftwerk neben einem Wohngebiet sei „deutschlandweit ohne Beispiel“, schrieb die Initiative „Kein Mega-Kraftwerk Wedel“ deshalb am Montag in einem Brief an alle Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft mit der Bitte, das Projekt nochmal zu überdenken. „Wir sind für die Energiewende“, heißt es dort, und „nicht pauschal gegen Wedel als Standort“, allerdings sei das jetzt geplante Projekt „definitiv keine Lösung“, so die Bürgerinitiative.
Mit einem Großkraftwerk würden „großindustrielle Strukturen gefestigt“, fügt Braasch hinzu, und zudem „das Fernwärmemonopol von Vattenfall noch gestärkt“. Was das mit der Energiewende zu tun habe und warum der SPD-Senat das mit Steuermillionen finanziere, müsse dieser mal erklären. „Wir haben bei der Energiewende keine Zeit zu verlieren“, sagt dazu Senatssprecher Christoph Holstein auf Anfrage der taz. Es sei aber „sicher gestellt, dass der Volksentscheid nicht ins Leere läuft“.
8 Oct 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Vattenfall baut seinen Konzern um. Im Fokus sollen erneuerbare Energie stehen – und Atomkraft. Neue Meiler könnten geplant werden.
Vattenfall will innovatives Gas- und Dampfturbinenkraftwerk an der Elbe bauen. Es gehört zum 25-Prozent-Deal mit der Stadt
Der Atomkonzern Vattenfall will vom Bund Schadensersatz für den Ausstieg erstreiten. Das tut er nicht öffentlich vor einem Schiedsgericht in Washington.