taz.de -- Call a Reporter: Brad Pitt in Lankwitz
Ein 16 Jahre alter Junge hat ein Hörspiel geschrieben - und die Großen der Synchronsprecher-Branche dafür gewinnen können.
Julian Gerull hört Stimmen: vorzugsweise die von Brad Pitt, Drew Barrymore und Sponge Bob. Doch um den 16-jährigen Jungen mit den leuchtend blauen Haaren muss man sich deswegen keine Sorgen machen. Im Gegenteil: Er hat gerade sein erstes Hörspiel veröffentlicht und konnte dafür die deutschen Synchronsprecher der beiden Hollywood-Stars verpflichten sowie den Schauspieler Santiago Ziesmer, der sonst die Trickfilmfigur Sponge Bob spricht. Herausgekommen ist „Das Spiel des Lebens“, ein 45-minütiges Ideenfeuerwerk, in dem die Protagonisten um ihre Seele pokern.
„Jede Woche meines Lebens fühlt sich gerade an wie ein ganzes Jahr“, sagt Gerull mit all der Begeisterung eines Teenagers aus Lankwitz, der gerade seine Bestimmung findet. Es ist die Liebe zum Hörspiel, zum Klang, zum Experiment mit der Stimme. Der Junge nimmt sie so ernst, dass er bereits ein eigenes Label gegründet hat – „Infinity Sounds“. „Mit Steuernummer und allem“, sagt er und zupft an seinem T-Shirt herum, auf dem ferne Planeten abgebildet sind.
Um genug Zeit für das Schreiben, die Produktion und den Vertrieb seiner Hörspiele zu haben, hat Julian Gerull vor einem Monat die Schule abgebrochen. Stattdessen macht er nun nebenher Fernabitur. Seine Eltern stünden hinter ihm, beteuert er. „Wie sie es ausdrücken: Sie wollen meine Integrität stützen.“
Das gelingt ihnen offenbar ganz gut, den Gerull hat seinen Laden im Griff. Vor ein paar Wochen erschien sein Hörspiel digital auf iTunes, die ersten CD‘s werden gerade gepresst. 2.500 Euro haben ihm seine Eltern für das Projekt geborgt, zuvor hatte er ihnen einen detaillierten Businessplan vorgelegt.
Ein bisschen schräg sei es schon gewesen, als 16-Jähriger mit den Größen der Synchronsprecher-Branche im Studio zu stehen und ihnen Regieanweisungen zu geben, erzählt Gerull. „Aber sie fanden es ganz gut, dass ich ihnen sage, wie ich‘s haben will. Profis halt.“ Außerdem: Mit Schrägheit kenne er sich aus. „Ich habe nicht so extrem viele Freunde“, sagt der Junge ganz nüchtern. „Diejenigen, die etwas mit mir unternehmen, wissen, dass ich komisch bin. Denn sie sind selber irgendwie komisch.“
Die Leidenschaft für den Klang verdankt er seinem blinden Freund Felix. An endlosen Nachmittagen hörten sie zusammen Hörspiele. „Eines Tages“, sagt Gerull, „werde ich selbst Sprecher.“ Man glaubt es ihm sofort.
Helden ohne Applaus, Probleme ohne Lösung, Geschichten ohne Erzähler? Sagen Sie‘s uns: Wir schreiben es auf. callareporter@taz.de
9 Nov 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
In Zehlendorf versucht eine Nachbarschaftsinitiative, einen Kieztreff aufzubauen. Sie hat sich auch schon ein Gebäude ausgesucht
Mit einem Minibus voller Kunst aus Transsilvanien nach Treptow: Wie ein rumänisches Kollektiv die Peripherie erobert.
Die Kreuzung Alt-Moabit, Ecke Gotzkowskystraße ist für Radfahrer ein gefährliches Pflaster. Ein Besuch vor Ort.
Im Auftrag von Kunst und Wissenschaft dürfen sich 100 Termiten durch einen Band der Insel-Bücherei fressen.
Die evangelische Landeskirche will das "Haus der Kirche", einen 60er-Jahre-Bau, abreißen. Die Schüler des Architekten wollen das verhindern.
Per Google Maps zur Museumsinsel? Das wird nichts: die Karte führt in die Irre. Ronny Kraft will das ändern. Eine Reportage aus der neuen taz.berlin-Wochenendausgabe.