taz.de -- Streit um Liegenschaftspolitik: Ulrich Nußbaum unter Druck
Vertreter aller Parteien fordern: Senat muss sein Konzept zur Vergabe landeseigener Grundstücke nachbessern. Vor allem der Finanzsenator steht in der Kritik.
Das Liegenschaftskonzept des rot-schwarzen Senats soll nachgebessert werden. Darauf verständigten sich Vertreter von SPD, CDU, Grünen und Linken am Wochenende beim ersten runden Tisch zur Liegenschaftspolitik im Berliner Abgeordnetenhaus. Zuvor hatte bereits der Finanzausschuss des Rates der Bürgermeister das bisherige Konzept einstimmig abgelehnt.
Der Unmut richtet sich vor allem gegen Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD). Ende September hatte sich der Senat auf ein Liegenschaftskonzept geeinigt, in dem neben dem Bieterverfahren, bei dem ein landeseigenes Grundstück an den Meistbietenden verkauft wird, auch sogenannte Konzeptverfahren möglich seien. Bei einer solchen Vergabe spielt das städtebauliche Konzept eine ebenso große Rolle wie der Kaufpreis. Allerdings sollten landeseigene Gesellschaften wie etwa die BSR oder die Behala nicht unter die neue Regelung fallen. Darüber hinaus, kommentierte Nußbaum selbst den Beschluss, solle das Bieterverfahren weiterhin „der Regelfall“ bleiben.
„Bei diesem Kompromiss gibt es noch Gesprächsbedarf“, sagte der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Matthias Brauner, am Sonntag der taz. So solle eine neue Liegenschaftspolitik des Senats auch stärker das Thema Erbpacht berücksichtigen. Darüber hinaus müssten die Interessen der Bezirke berücksichtigt werden.
Aktueller Streitpunkt ist die Alte Münze am Spreeufer. Im März hatte Nußbaum eine geplante Direktvergabe an den Investor Nicolas Berggruen gestoppt. Berggruen wollte in dem Gebäude, in dem bis 2006 die Bundesdruckerei Euromünzen prägte, unter anderem Ateliers errichten. Der Finanzsenator forderte damals eine „transparentere Grundlage“ für eine solche Direktvergabe unter dem Marktwert.
Statt aber das Grundstück nach dem Verkaufsstopp in einem Konzeptverfahren auszuschreiben, hat Nußbaum über den Liegenschaftsfonds ein Bieterverfahren in die Wege geleitet. Weil das Verfahren bereits am 30. November enden soll, haben die Parteienvertreter beim runden Tisch einstimmig ein Verkaufsmoratorium gefordert. „Wir wollen uns da nicht unter Zeitdruck setzen lassen“, sagte CDU-Mann Brauner. „Deshalb haben wir das Verfahren auch im Vermögensausschuss des Abgeordnetenhauses angehalten.“
Unmut gibt es auch in den Bezirken. „Das Konzept ist ein Eingriff in die bezirkliche Selbstverwaltung“, kritisiert der grüne Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz. Der Grund: Der Liegenschaftsfonds soll auch Zugriff auf die Grundstücke bekommen, die bislang noch in Bezirkshand sind. In einer ersten Stellungnahme lehnte der Finanzausschuss des Rates der Bürgermeister die Senatsvorlage deshalb ab. „Das war einhellig und sehr deutlich“, so Schulz.
„Wir haben die Kritik vernommen“, sagte Baustaatssekretär Ephraim Gothe am Sonntag der taz. Nun werde die Vorlage noch einmal im Senat besprochen und gehe dann zur parlamentarischen Diskussion in den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. „Ob da noch was geändert wird, hängt davon ab, wie die Diskussion im Parlament läuft.“
In der SPD-Fraktion ist der Unmut über den Senatskompromiss bereits deutlich geworden. Vergangenen Dienstag sprachen sich die 47 Abgeordneten dafür aus, das Bieterverfahren als Regelverfahren abzulösen. Stattdessen sollen landeseigene Grundstücke von nun an vorrangig in Erbpacht vergeben werden.
11 Nov 2012
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