taz.de -- Erfolgloses Deutschlandstipendium: Schavan hat zu viel Geld
Beim Deutschlandstipendium könnten dieses Jahr 16 Millionen Euro verfallen. Dabei hätten einige Unis durchaus mehr Stipendien vergeben können.
BERLIN taz | In der Bildungspolitik wird normalerweise über zu wenig Geld geklagt – beim Deutschlandstipendium für begabte Studenten hingegen weiß Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) nicht, wohin mit ihren Mitteln. Dem SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Hagemann zufolge geht aus Haushaltsplanungen hervor, dass in diesem Jahr mehr als 16 Millionen Euro verfallen. Bereits im Vorjahr blieben bei Schavans einstigem Prestigeprojekt sieben Millionen Euro ungenutzt.
Schuld ist die vertrackte Konstruktion: Pro Student und Monat müssen die Unis bei Unternehmen oder Stiftungen 150 Euro einwerben – die Hälfte des monatlichen Stipendiums. Erst dann übernimmt der Staat die andere Hälfte. Für das laufende Semester haben die Hochschulen mal mehr, mal weniger Geldgeber gefunden – meist weniger.
Ein weiteres Problem: Das Programm sieht feste Förderquoten vor, die die Unis bislang nicht übersteigen durften. Im Moment dürfen sie höchstens einem Prozent ihrer Studierenden ein Stipendium gewähren. Ab August 2013 sind es 1,5 Prozent. Mittelfristig sollen 8 Prozent aller Studierenden das Deutschlandstipendium erhalten. Die Hochschulen durften also selbst dann nicht mehr Stipendien vergeben, wenn sie dafür genug private Stifter auftreiben konnten. So verfielen weitere Gelder.
Das wollte Schavans Ministerium ändern. Seit August gibt es eine neue Regelung, wonach die ungenutzten Mittel unter den Hochschulen auf Länderebene umverteilt werden können. Hochschulen, die die Quote übererfüllen, können das übrig gebliebene Geld der Hochschulen erhalten, die weniger erfolgreich in der Akquise waren.
Kein Geld für Lehramtsstudenten
Viele der erfolgreichen Hochschulen stellen dieses Vorhaben allerdings als schlecht geplant dar. „Im vergangenen Jahr hatten wir angefragt, ob wir mehr Stipendien vergeben dürften. Da hieß es ,Nein‘“, sagt Ruth Fleuchaus, Prorektorin an der Hochschule Heilbronn. In diesem Jahr habe sich die Fachhochschule deshalb exakt auf die Quote eingestellt. „Als dann die Botschaft kam, wir könnten mehr einwerben, war es für unsere Planung schlichtweg zu spät.“
Auch die Technische Universität Dresden hat die Höchstzahl an Stipendien eingeworben: 332. Von der Möglichkeit, weitere Stipendien einzuwerben, habe die Uni zu kurzfristig erfahren, sagt die Sprecherin. Dabei hatte eine Ministeriumssprecherin bereits im vergangenen Jahr gesagt, man denke über eine flexiblere Handhabung nach.
Eine Umfrage der taz in einzelnen Ländern zeigt, dass insbesondere Hochschulen mit vielen Lehramtsstudenten Probleme haben, private Förderer zu finden. Die Pädagogische Hochschule Heidelberg konnte 7 von 42 möglichen Stipendien vergeben – und ist damit noch die erfolgreichste unter den Pädagogischen Hochschulen des Landes. Künftige Staatsdiener sind für die Wirtschaft offenbar nicht attraktiv. Insgesamt wurden in Baden-Württemberg rund 1.400 von 2.499 möglichen Stipendien vergeben. In Nordrhein-Westfalen waren es 3.121 von 5.267. Bundesweite Zahlen liegen noch nicht vor.
14 Nov 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Andreas Pinkwart verteidigt seine Idee, die Wirtschaft an dem neuen Stipendium zu beteiligen. Endlich würden auch mit privatem Geld Begabte gefördert.
In Bayern hat ein Gymnasium das Konzept sogenannter „Lernlandschaften“ eingeführt. Skepsis und Begeisterung halten sich die Waage.
Die neue Förderkultur der Bildungsministerin floppt: Die Unis warben nur die Hälfte der 10.000 Deutschlandstipendien ein, denn die Wirtschaft hat wenig Interesse.
Seit April bekommen Stipendiaten mehr Büchergeld – unabhängig vom Einkommen der Eltern. Eine Initiative aus Begünstigten fordert dazu auf, das Geld zu spenden.
Annette Schavan will mit Leistungsstipendiem "eine neue Spendenkultur" entwickeln. Doch der Testballon in NRW funktioniert nicht – weil die Wirtschaft so zögerlich ist.
Das nationale Stipendienprogramm kommt nicht in Schwung. Nun finanziert das Bildungsministerium Kurse, wie die Universitäten Sponsoren gewinnen können.