taz.de -- Rechtsextremisten terrorisieren Berlin: Verbietet diese Nazis!
Der "Nationale Widerstand" zündelt, prügelt, hetzt und droht, aber die Politik reagiert bislang nicht. Eine Analyse aus der neuen Wochenendausgabe der taz.berlin.
„Alles“ werde er tun, um die Täter zu finden, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU) Anfang Oktober. Da hatte der „Nationale Widerstand Berlin“ – kurz „NW“ – wieder zugeschlagen. An mehreren Parteibüros, quer über die Stadt, prangte das Kürzel neben Hakenkreuzen. Am Club der SPD-nahen „Falken“ in Britz ebenso wie an einem Flüchtlingsheim in Waßmannsdorf, wo auch Scheiben eingeworfen wurden. „Unerträgliche Einschüchterungsversuche“ so Henkel, die man „nicht tatenlos hinnehmen“ werde. Nur: Was heißt das konkret?
Seit 2005 terrorisiert der „NW“ die Stadt. Brandanschläge werden der Gruppe zugerechnet, Sachbeschädigungen, gesprayte Parolen und körperliche Attacken auf politische Gegner. Im Netz werden „Feinde“ mit Namen, teils auch mit Foto und Adresse aufgelistet. Keine rechte Gruppe ist aktiver in der Stadt, keine gewaltbereiter.
Auf 100 Nazis schätzt Berlins Verfassungsschutz das „Personenpotenzial“ um den „NW“. Von einem harten Kern mit einem dutzend Leuten geht die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus aus. Neonazis, die sich modern geben, im Netz präsent sind, ihre Parolen mit Anglizismen versehen, sich wie Linke kleiden, mit schwarzen Kapuzenjacken oder auch mal im Che Guevara-Shirt.
Über die Ideologie täuscht das nicht hinweg: Offen verbreitet der „NW Berlin“ auf seiner Internetseite und auf Flugblättern Hass auf Migranten und Andersdenkende, Aufrufe werden mit Hitler-Zitaten garniert. Und die Gewalt-Koketterie bleibt nicht ohne Folgen: Auf einer „NW“-Demo 2011 wurden linke Gegendemonstranten verprügelt, nach einem „Aufruf“ über einen internen Verteiler Brandanschläge auf Hausprojekte verübt.
Warum kann der „NW“ so frei walten? Warum wird die Gruppe nicht verboten wie andere rechte Kameradschaften? Die Forderung reicht längst bis in die rot-schwarze Koalition hinein. Nur einer schweigt: der Innensenator.
Im Rahmen der NSU-Aufklärung sagte Henkel jüngst, die Erwartungshaltung gegenüber dem Staat sei nun „völlig zu Recht“ hoch: „Der Kampf gegen rechtsextreme Bestrebungen muss mit größtmöglichen Engagement geführt werden.“ Henkel könnte beim drängendsten Extremisten-Problem dieser Stadt anfangen: dem „NW Berlin“.
In der neuen Wochenendausgabe der taz.berlin: Eine Reportage über den NW-Berlin und weitere Stimmen für dessen Verbot. Am Samstag - im Briefkasten oder am Kiosk.
23 Nov 2012
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