taz.de -- Kommentar Ramazan Avci: Das rechte Auge war blind

Lange versuchten die Behörden zu leugnen, dass es im Westen auch vor der Wiedervereinigung rassistische Morde von Neonazis gab.
Bild: Ein Straßenschild erinnert künftig an Ramazan Avci, der Verkehrsverbund zieht nach.

Er war eines der ersten Opfer rechtsextremer Gewalt in der Bundesrepublik. 27 Jahre danach wird der Tatort nun offiziell nach Ramazan Avci benannt. Sein Tod ließ seinerzeit die öffentliche Debatte über rechte Gewalt aufleben, die aber rasch wieder abebbte – weil Polizei, Justiz und Politik rassistisch motivierte Gewalt von Neonazis nicht wahrhaben wollten.

Wird heute in Medien und Politik über rechte Gewalt hierzulande geredet, fallen ihre ersten Opfer meist unter den Tisch. Was vor der deutschen Wiedervereinigung geschah, scheint irgendwie unsichtbar geworden zu sein. Ob nun 58 oder gar 182 Menschen durch die Hände rechtsextremer Täter umkamen: Im Fokus der Aufmerksamkeit steht allein die Zeit von 1990 bis heute. Diese Sicht blendet bewusst aus, was an Rechtsextremismus im Westen und vor 1989 existierte.

So konnten auch nach dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ die Sicherheitsbehörden fast ohne Widerspruch behaupten, rechte Gewaltstrukturen habe es nie gegeben. Dass 1979 in Bückeburg wegen terroristischer Vereinigung gegen die „Wehrsportgruppe Werwolf“ prozessiert wurde, blieb da beflissen unerwähnt.

Zu dieser Sichtweise hat auch die Hamburger Justiz beigetragen: Sie erkannte im Verfahren um die Ermordung von Ramazan Avci keine „niederen Beweggründe“ – Hass gegen Menschen mit Migrationshintergrund – und klammerte neofaschistische Strukturen aus.

17 Dec 2012

AUTOREN

Andreas Speit
Peter Müller

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