taz.de -- Wahl in Grönland: Das Dubai der Arktis

Knappes Kopf-an-Kopf-Rennen: Am Dienstag wählt Grönland ein neues Parlament. Eine Weichenstellung für die Bodenschätze der größten Insel der Welt.
Bild: Edelstein, Gold, Eisenerz und Uran. Werden die Bodenschätze Grönlands bald von ausländischen Investoren ausgebeutet?

STOCKHOLM taz | Mit Dubai vergleicht Allan Chemnitz, Parlamentskandidat der sozialliberalen „Demokraten“ („Demokraatit“) Grönland. Eine arme Fischernation sei dieses Land 1968 gewesen. Es habe damals mit 58.000 EinwohnerInnen eine Bevölkerungszahl etwa so groß wie Grönland jetzt gehabt.

In der Folge des Erdölbooms sei das auf eine Einwohnerzahl von über 2 Millionen gewachsene Land nun ein wohlhabendes Handels-, Finanz- und Tourismuszentrum. So ein Ziel solle Grönland sich nun auch setzen.

Am Dienstag werden auf der größten Insel der Welt wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Bei den Parlamentswahlen geht es um die Frage der Bodenschätze, die unter dem schmelzenden Eis in den nächsten Jahren und Jahrzehnten immer besser zugänglich werden. Von Edelsteinen, Gold und Eisenerz bis zu Uran.

Mit angezogener Handbremse

Soll das Land ausländischen Investoren die Tür öffnen, damit diese Grönland so schnell und umfassend wie möglich ausbeuten? Oder will man es etwas ruhiger angehen lassen, damit die empfindliche Umwelt und die traditionelle Inuit-Kultur nicht ganz unter die Räder kommen.

Für eine angezogene Handbremse plädiert Aleqa Hammond, Spitzenkandidatin der sozialdemokratischen „Siumut“. Sie ist angetreten, um die erste grönländische Ministerpräsidentin zu werden: „Wir müssen umsichtig sein“, sagt die 47-jährige Oppositionsführerin: „Uns vor einer Invasion schützen, vor Investoren, die sich nur ein möglichst grosses Stück vom Kuchen sichern wollen.“

Sicher, auf dem Weg in die Unabhängigkeit von Dänemark kämen Grönland die Einkünfte aus den Bodenschätzen natürlich recht. Doch man dürfe diese Abhängigkeit nicht mit einer neuen tauschen: „Der von internationalen ökonomischen Interessen.“ Eine Entwicklung wie in Kuwait oder Dubai wolle sie absolut nicht haben, sondern sich lieber an Norwegen orientieren: „Die sind ein Ölland geworden und eine Fischernation geblieben.“

Proteste von Umweltschützern

Aufs Erschliessungstempo drückt dagegen die jetzige Regierung unter Regierungschef Kuupik Kleist. Sie hat gegen Proteste von Umweltschützern Offshore-Ölbohrlizenzen erteilt, obwohl das Land so gut wie hilflos gegenüber einer möglichen Ölpest wäre.

Im Dezember verabschiedete eine Parlamentsmehrheit ein umstrittenes Gesetz. Dies soll Investoren aus China und den USA ermöglichen, mit billiger ausländischer Arbeitskraft, für die nicht einmal die Mindestlöhne gelten sollen, Erzgruben zu erschliessen und eine Aluminiumschmelze zu errichten.

Ein Gesetz, das Hammond wieder aufheben will. Angetreten war Kleist und seine sozialistische Partei „Inuit Ataqatigiit“ im Übrigen vor 4 Jahren mit einer ähnlichen Botschaft wie die sozialdemokratische Opposition jetzt. Mehr Rücksicht auf die Umwelt, eine vorsichtige, „grüne“ Entwicklung. Davon ist nicht viel ubriggeblieben.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Der Wahlabend verspricht spannend zu werden. „Siumut“ und „Inuit Ataqatigiit“ (IA) – die jetzt mit den „Demokraatit“ zusammen regiert –, liegen nach letzten Umfragen Kopf-an-Kopf. Ein möglicher Koalitionspartner für Aleqa Hammonds „Siumut“ wäre die neugegründete „Partii Inuit“.

Eine Abspaltung von der IA, die dieser vorwirft ihre ursprünglichen Werte verraten zu haben. Sie will sich für den Schutz der Inuit-Bevölkerung und die Wahrung von deren Kultur einsetzen. Über die Ausbeutung der Bodenschätze will man das Volk über ein Referendum entscheiden lassen.

11 Mar 2013

AUTOREN

Reinhard Wolff

TAGS

Grönland
Bodenschätze
Wahlen
Schwerpunkt Klimawandel
Grönland
Grönland
Grönland
Rohstoffe
Grönland
Schwerpunkt Klimawandel
Arktis

ARTIKEL ZUM THEMA

Vorgezogene Wahl in Grönland: Neustart ins Ungewisse

Die halbautonome Insel ist reich an Bodenschätzen. Doch die Jungen wandern aus, viele Politiker sind korrupt. Die Neuwahl soll Stabilität bringen.

Frischer Wind in der Arktis: Vor Grönland wird nicht mehr gebohrt

Ab Freitag hat die Insel eine neue Regierung. Und die steht für Naturschutz. Bohrlizenzen für's Meer gibt es nicht mehr. Und auch an Land geht es dann strenger zu.

Wahl in Grönland: Mit Charme und großem Herzen

Die Sozialdemokratin Aleqa Hammond hat die Wahl in Grönland gewonnen. Dabei wollte die künftige Regierungschefin nie in die Politik gehen.

Wahl in Grönland: Gegen den Ausverkauf

Machtwechsel in Gröneland: Die neue Regierung wird zum ersten Mal von einer Frau geführt – ein Sieg für die sozialdemokratische Partei Siumut.

Wahl in Grönland: Weg von den Dänen

Grönland steht vor einem Regierungswechsel. Die bisherige Oppositionsführerin Aleqa Hammond erhofft sich von der Ausbeutung von Rohstoffen mehr Unabhängigkeit.

Greenpeace gegen Bohrfirma: Die neue Front im Eis

Schützt die Arktis, fordert die Umweltorganisation Greenpeace. Und kämpft gegen Ölbohrungen vor Grönland. Die Einheimischen reagieren wütend.

Klimakonferenz in Doha: Bodenschätze fürs Klima entwerten

Um den Klimawandel zu bremsen, müssten zwei Drittel der Reserven an Öl, Gas und Kohle in der Erde bleiben. Aber die Lobby sitzt mit am Verhandlungstisch.

Ressourcen in der Arktis: Liebesgrüße aus Peking

China hat großes Interesse an den Rohstoffen der Arktis. Die Regierung versucht, diesen Aspekt herunterzuspielen – aber ein „Schneedrache“ zieht seine Kreise.