taz.de -- „Spiegel“ beurlaubt Chefredakteure: Die Strategen und ihr Scherbenhaufen

Der „Spiegel“-Verlag hat auf die andauernden Querelen in der eigenen Chefetage reagiert – und seine Doppelspitze Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron abberufen.
Bild: Abgesetzt Chefredakteure: Mathias Müller von Blumencron (l.) und Georg Mascolo

HAMBURG dpa | Der „Spiegel“-Verlag hat die beiden Chefredakteure des Nachrichtenmagazins, Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron, abberufen. Grund seien „unterschiedliche Auffassungen zur strategischen Ausrichtung“, teilte der Verlag am Dienstag in Hamburg mit.

„Bis auf Weiteres wird die Redaktion des Spiegel geführt von den beiden stellvertretenden Chefredakteuren Klaus Brinkbäumer und Martin Doerry. Rüdiger Ditz, Chefredakteur von Spiegel Online, verantwortet das Nachrichtenangebot im Internet“, hieß es weiter. Mascolo und Müller von Blumencron seien beurlaubt.

Die beiden Chefredakteure hatten seit 2008 eine Doppelspitze gebildet. Mascolo war für den gedruckten Spiegel, Müller von Blumencron für die digitalen Angebote des Nachrichtenmagazins zuständig. Unter anderem hatte es zwischen den beiden Konflikte wegen der Digitalstrategie des Spiegels gegeben, und hinsichtlich der Frage, inwieweit Online-Inhalte kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Der Geschäftsführer des Spiegel-Verlags, Ove Saffe, würdigte Mascolo und Müller von Blumencron als „exzellente Journalisten, die in den vergangenen Jahren und in verschiedenen Funktionen innerhalb des Hauses Kreativität und Führungsstärke bewiesen haben“.

Deutschlands größtes Nachrichtenmagazin leidet seit Jahren an Auflagenschwund. Zu Amtsantritt von Mascolo und Müller von Blumencron im Jahr 2008 hatte die verkaufte Auflage noch bei mehr als einer Million Exemplaren gelegen, zuletzt betrug sie 891 000 Exemplare.

Für Spannungen in der Doppelspitze kam es Branchenkreisen zufolge auch bei der Frage einer schlüssigen Online-Strategie. So soll ein Streitpunkt zwischen beiden gewesen sein, ob und welche Inhalte von Spiegel Online kostenpflichtig werden könnten.

Das Hamburger Abendblatt hatte am bereits am Freitag über eine bevorstehende Ablösung der Spiegel-Chefredaktion berichtet. Am Montag hatte der Geschäftsführer des Spiegel-Verlags, Ove Saffe, allerdings noch betont, dass keine Entscheidungen über mögliche Veränderungen in der Chefredaktion gefallen seien.

9 Apr 2013

TAGS

Georg Mascolo
Chefredaktion
Der Spiegel
Doppelspitze
Georg Mascolo
Chefredaktion
Kirche
Georg Mascolo
Jakob Augstein
Festanstellung

ARTIKEL ZUM THEMA

Ex-Chefredakteur des „Spiegel“: Mascolo leitet Rechercheteam

Er verließ nach Dauerzwist den „Spiegel“: Ab Februar führt Georg Mascolo den Rechercheverbund von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR.

Kommentar vakante „Spiegel“-Spitze: Sie brauchen eine Führerin!

„Zeit“, „Stern“, „Focus“ – sie alle haben Frauen in den Chefredaktionen. „ProQuote“-Vorsitzende Bruhns wünscht sich, dass das auch beim „Spiegel“ so wird.

Vom Ende der klaren Geschichten: Das Würstchen Wahrheit

Wer Gewissheiten verkaufen muss, hat es schwer in einer Zeit, in der Antworten nichts gelten. Die neue ChefIn des „Spiegels“ ist nicht zu beneiden.

Journalistik-Professor über den „Spiegel“: „Ohne crossmediale Strategie“

Für Klaus Meier ist die „Spiegel“-Krise ein Symptom für die Probleme vieler Medien, deren gedruckte Auflagen sinken, während Online kein Geld bringt.

Interner Konflikt beim „Spiegel“: Duett vor dem Abbruch

Beim Magazin „Spiegel“ könnte am Montag ein Wechsel der Chefredaktion bevorstehen. Das amtierende Führungsduo ist zerstritten.

Ex-Korrespondentin klagt gegen Spiegel: Die falsche Muttersprache

14 Jahre arbeitete Padma Rao mit Zeitverträgen als „Spiegel“-Korrespondentin in Indien. Als sie eine feste Stelle fordert, wird ihr Status bestritten.

Neues Hausblog beim „Spiegel“: Sich selbst auf die Finger schauen

Die Redaktion des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ bloggt jetzt über die eigene Arbeit. Aber wie viel Kritik wird sie zulassen?

Frauenquote im Journalismus: Der "Spiegel" ist dagegen

Der Journalismus fordert die Frauenquote, hinkt aber selbst hinterher, kritisiert der Chef der Journalisten-Gewerkschaft DJV. Unterdessen lehnt "Spiegel"-Chef Mascolo eine Frauenquote ab.