taz.de -- Kolumne Geht's noch?: Achtung, Friedensradler unterwegs!

Manche Menschen wollen mit dem Rad einfach von A nach B. Andere wollen träumen, quatschen – und drängeln.
Bild: Man weiß nie, wo noch einer auftaucht.

Endlich ist er da: der Frühling. Die Bäume knospen, die Cafés sind voll, auf den Straßen Berlins begegnet einem allerorten ein freundliches „Guten Morgen“ oder ein herzliches „Lern erst mal die Straßenverkehrsordnung, du Penner“ – denn alle scheinen in spontaner Gleichzeitigkeit ihr viel zu lange eingemottetes Fahrrad aus dem Keller geholt zu haben. Es ist zum Kotzen.

Peter Ramsauer wusste ja schon viel früher als wir, dass der Frühling bald kommen würde, deshalb ist er auch Bundesverkehrsminister. Und deshalb hat er schon mal vorsorglich den „Kampfradlern“ den Kampf angesagt. Dabei sind nicht die Kampfradler die größte Gefahr für Leib und Leben. Es sind die Friedensradler.

Wenn es kalt ist, ist der zügige Radfahrer der König der Straße oder zumindest der König des Fahrradwegs. Sobald die Temperaturen steigen, ist der mit vernünftiger Geschwindigkeit sich fortbewegende, sich dabei – selbstverständlich – dennoch an die Verkehrsregeln haltende Fahrradfahrer der dümmste Idiot.

Denn dann kommen sie, die Friedensradler. An jeder Ampel schlängeln sie sich an allen anderen Fahrrädern vorbei, um sich ganz vorne einzureihen.

Dass sie zuvor von all diesen Radfahrern überholt wurden, kümmert sie nicht. Dass sie beim Anfahren die Langsamsten sind, kümmert sie auch nicht. Dass sie nun wieder von all jenen mit halbwegs normaler Durchschnittsgeschwindigkeit auf viel zu engen Fahrradwegen oder – noch gefährlicher – auf der Straße passiert werden müssen, ist ihnen ebenfalls egal. Ich stell mich doch auch nicht mit einem Bobby-Car in die erste Startreihe beim Formel-1-Rennen!

Doch die Friedensradler ficht das nicht an. Im Gegenteil. Sie fahren gern noch in Zweierreihen nebeneinander und unterhalten sich in ihrer grenzenlosen moralischen Überlegenheit darüber, wie gefährlich doch die anderen Radler seien. Dabei strampeln sie so langsam, dass sie auch absteigen und warten könnten, bis die Plattentektonik sie an ihr Ziel schiebt.

Die meisten anderen Radler fallen bei solch einer geringen Geschwindigkeit einfach um. Nicht so die Friedensradler, sie werden gehalten von ihrer Selbstzufriedenheit und in ihrer Tugendhaftigkeit, gestützt von Peter Ramsauer. Glückwunsch.

22 Apr 2013

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Jürn Kruse

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