taz.de -- Kommentar Hundegesetz: Gut gebellt

Wenn Hundehalter Sachkunde erwerben müssen, dient das einem besseren Miteinander von Mensch und Hund - und damit auch dem Tierschutz.
Bild: Hundehalter sind Egoisten: Ihr Hund hilft ihnen, sich besser zu fühlen

Wenn Vernunft am Werk ist bei einem hoch emotionalen Thema, dann ist das schon mal ein kurzes Erstaunen wert. Welches Alltagsthema wäre umstrittener als die Frage, wie das Verhältnis zwischen Mensch und Hund zu regeln wäre? Wer, außer vielleicht Autofahrern und Radlern, stünde sich unversöhnlicher gegenüber als Hundeliebhaber und Hundehasser?

Dennoch ist es in Niedersachsen gelungen, zu einer für alle Seiten akzeptablen Regelung zu finden. Und das, noch erstaunlicher, sogar über einen Regierungswechsel hinweg: Die alte Landesregierung aus CDU und FDP hat das Hundegesetz auf den Weg gebracht, die neue aus SPD und Grünen nun endgültig die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass es vollständig in Kraft treten kann.

Das hat lange gedauert, könnte man nun mäkeln. Aber wenn die Erfahrung der vergangenen Dekade etwas gelehrt hat, dann, dass Eile nichts als Mist hervorgebracht hat. Es war der Schock, als ein Kampfhund im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg den sechsjährigen Volkan totgebissen hatte, der die Politik der folgenden Jahre prägte: Schon Tage nach dem Vorfall verbot der Hamburger Senat kurzerhand elf Hunderassen. Und ein Bundesland nach dem anderen erließ in der Folge Gesetze, die die Tiere nach Rassen klassifizierten und entsprechende Regeln für sie festschrieben. Es dauerte nicht lange, bis die Verwaltungsgerichte sie alle kassierten.

Zu Recht, weil die Rassen-Typologie nämlich Quatsch ist. Keine Hunderasse ist per se aggressiv, kein Hund aufgrund seiner Rassenzugehörigkeit garantiert harmlos. Allenfalls sind einige wenige zu klein, um Menschen ernsthaft zu gefährden, andere aufgrund ihrer Physis besonders gefährlich, wenn sie denn auf Aggression gedrillt werden. Aber es ist immer die Erziehung, die ein Tier zur Kampfmaschine macht.

Ein Hundeführerschein ist ein Ansatz, um zu überprüfen, ob es dem Hundehalter um einen Gefährten oder um biologische Kriegsführung geht. Vor allem aber wird die dabei erworbene Sachkunde dazu führen, dass das Zusammenleben zwischen Mensch und Hund weit im Vorfeld körperlicher Auseinandersetzungen konfliktärmer abläuft. Vor allem im Stressumfeld der Großstadt ist das auch ein Beitrag zum Tierschutz.

Der Vorwurf, die Führerscheinpflicht sei ein bürokratisches Monstrum, trifft nicht: Dass sie nur für Neu-Hundebesitzer gelten soll, zeugt von Augenmaß. Und wer sich wirklich absolut sicher sein kann, dass sein Hund friedlich ist, kann sie ja risikolos ignorieren.

13 May 2013

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Jan Kahlcke
Jan Kahlcke

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Hunde
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