taz.de -- Video der Woche: Shitstorm gegen Mr. Gutaussehend
Das Modeunternehmen Abercrombie & Fitch möchte nur an schöne Menschen verkaufen. Doof nur, wenn dann Kleidung dieser Marke an Obdachlose verschenkt wird.
Das US-amerikanische Modeunternehmen Abercrombie & Fitch gilt als gleichfalls junge wie hippe Marke. Die Inneneinrichtung ihrer Läden ahmt Diskothek und Laufsteg nach. Dafür sorgen Beachparty-taugliche Clubmusik, abgedunkelte Fenster, Plastikpalmen und fast penetrant durchdringender süßlicher Duft, der die Kundinnen und Kunden einnebelt.
Besonders der Chef des Bekleidungsunternehmens mit weltweit mehr als 1.000 Shoppingtempeln ist bestrebt, dieses „Lebensgefühl von ewiger Jugend, Schönheit, Makellosigkeit“ ([1][Spiegel Online]) aufrecht zu halten. Mike Jeffries heißt dieser CEO und Biff Tannen-Lookalike. Viele Interviews gibt er nicht, aber wenn der 68-jährige spricht, dann sorgt er mit [2][seinen Äußerungen für Kopfschütteln]: A&F würde nur gut aussehende Leute in seinen Geschäften anstellen, so der stets um das Standing des Unternehmens besorgte Jeffries, „weil gut aussehende Leute auf andere gut aussehende Leute anziehend wirken“. Man vermarkte eben Klamotten für „coole, gut aussehende Menschen“. Soweit so Werbesprech.
Mr. Jeffries erklärt aber auch, welche Menschen bestenfalls Kunden bei ihm sein dürfen: „In jeder Schule gibt es die coolen und beliebten Kids, und dann gibt es da noch die nicht so coolen Kids. Wir wollen die coolen Kids“, so der Chef gegenüber der Newswebsite [3][Salon]. „Wir wollen den attraktiven all-American Teenager mit einer tollen Ausstrahlung und vielen Freunden. Viele Leute gehören nicht in unsere Klamotten!“ Ob A&F also nur einigen Auserwählten vorbehalten sei? „Absolut!“, antwortet Jeffries. Das war 2006.
Nur XXL-Männer passen zur Marke
Das die Aussagen derzeit von den Medien wieder ausgegraben werden, liegt daran, dass die [4][Marke es nach wie vor ablehnt, Übergrößen für Frauen anzubieten] – anders als Konkurrenzunternehmen. Für Männer bietet A&F hingegen größere Maße an, XXL-Football- oder Basketballtypen sind schließlich sportlich. Diese strikte Verweigerungshaltung inklusive des arroganten und selbstgefälligen Auftretens der Unternehmensspitze führte zu Gegenreaktionen im Internet.
Ausgelöst wurde der Shitstorm gegen A&F von folgendem Video:
Am Montag online gegangen, hat es bereits mehr als 6 Millionen Views. In dem Youtube-Video stellen die Macher James DeLorean und Daniel Lisi nicht nur das Unternehmen und dessen Chef bloß, sie versuchen zudem mit Hilfe einer Anti-Marketingkampagne der Sichtweise von A&F entgegenzuwirken. Unter dem Hashtag [5][#FitchtheHomeless] rufen DeLorean und Lisi auf, es den beiden Protagonisten wie im Video gleichzutun und Kleidung der Marke an Hilfsbedürftige zu spenden sowie die Aktionen zu teilen.
Der angelaufene Shitstorm traf das Unternehmen sichtlich: Am Donnerstag [6][ruderte Jeffries auf der Facebook-Seite von A&F] zurück. Dort behauptet er, dass das sieben Jahre alte Zitat nur aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Denn das Unternehmen kümmere sich – anders als dargestellt – um breite Kundenschichten. „Wir engagieren uns stark für Vielfalt und Integration. Wir stellen gute Leute ein, die diese Werte teilen. Wir sind komplett gegen Diskriminierung, Mobbing, abfällige Charakterisierungen oder anderes anti-soziales Verhalten auf Grund von Herkunft, Geschlecht, Körpertyp oder anderen individuellen Merkmalen.“ Nimmt man Mr. Jeffries beim Wort, dürfte es ja nur noch eine Frage der Zeit sein, wenn er selbst als Model für seine Marke werben kann.
17 May 2013
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Teurer Streit um das Tragen eines Kopftuchs im Service bei Abercrombie & Fitch: Jetzt muss die Modekette zwei Frauen hohe Summen Schadenersatz zahlen.
Weil sie bei der Arbeit im Abercrombie & Fitch-Laden einen Hijab-Schal trug, musste sie gehen. Die Entlassung sei diskriminierend gewesen, urteilte nun eine Richterin.
Fünf Jugendliche haben sich im englischsprachigen Raum das Leben genommen. Zuvor wurden sie auf ask.fm gemobbt. Nun schreitet die Politik ein.
Die Modemarke Abercrombie & Fitch purzelt vom Mode-Olymp. Entthront hat sie sich selbst. Jetzt kann man sie zum Schnäppchenpreis im Supermarkt erstehen.
Charles Ramsey wird in den USA als der Mann gefeiert, der drei Frauen befreit hat. Das TV-Interview mit ihm wird schon zu Musikvideos weiterverarbeitet.
Das linke Video-Kollektiv „Leftvision“ hat den Youtube-Klassiker „How Animals eat their food" interpretiert. Die Tiere müssen jetzt im Beisein von Nazis futtern. Warum?
Die Klickmoster dieser Woche: Eine kaputte Waschmaschine und ein Strudel in Lettland. Ein Erklärungsversuch für den Erfolg dieser Videos.
Die gute alte Tante Crowd mal wieder: Das interaktive, sich ständig neu generierende Musikvideo der Indiepop-Band Light Light feiert den nahen Tod des Cursors.
Bären im Cabrio und Astronauten: Selbst der härteste Werbemanager verpasst alles, wenn er eine Zeitung in den Händen hält, suggeriert ein Video.