taz.de -- Meeresschutz: Gestresste Wale

Auf dem Meeresumwelt-Symposium in Hamburg diskutierenExperten, wie sich der zunehmende Lärm unter Wasser reduzieren lässt
Bild: Macht auch unter Wasser Lärm: die Nordsee-Bohrinsel Mittelplate

HAMBURG taz | „Wir müssen für den wachsenden Bereich der maritimen Wirtschaft langfristige und verlässliche Rahmenbedingungen vorhalten“, sagte Monika Breuch-Moritz, Präsidentin des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am Dienstag auf dem 23. Meeresumwelt-Symposium in Hamburg. „Wir müssen gleichzeitig Regelungen und Auflagen definieren, die die Meere schützen und der Wirtschaft dennoch ausreichende Entwicklungsmöglichkeiten geben.“

Auf dem BSH-Symposium präsentieren mehr als zwei Dutzend ReferentInnen aus Wissenschaft, Naturschutz und Behörden neueste Forschungsergebnisse über Offshore-Windkraft, Schifffahrt, Fischerei, Küstenschutz und eben auch Meeresmüll – und versuchen, sich auf Handlungsempfehlungen für die Politik zu einigen.

Die Grundfrage, was zu schützen sei und was genutzt werden dürfe, zeigt sich exemplarisch am Ausbau der erneuerbaren Energien auf dem Meer. Der Baulärm bei der Errichtung von Offshore-Windparks hat „ein großes Verletzungs- und Störungspotenzial für marine Säugetiere, Fische und andere Meeresbewohner“, sagt die Biologin Karin Lüdemann.

Beim Bau des Windparks Alpha Ventus vor Borkum wurden Schallemissionen von mehr als 170 Dezibel gemessen. Damit wurden die zulässigen Grenzwerte deutlich überschritten. Zudem würden, so Lüdemann, bei neuen Windparks die Pfahldurchmesser größer werden, damit würde auch der Lärm bei Rammungen noch größer.

Die Auswirkungen von Unterwasserschall wurden im Sommer 2012 an mehreren Stellen in der Ostsee untersucht. Dabei wurde tiermedizinisch nachgewiesen, so Henrike Seibel von der Tierärztlichen Hochschule Hannover, dass der dort ohnehin schon vorhandene Lärm zu deutlichen Stressreaktionen bei Schweinswalen und Seehunden führt. Der lauteste Ort in der Ostsee ist der stark frequentierte Schiffsweg im Fehmarnbelt mit durchschnittlichen Werten von fast 120 Dezibel, die nahezu ausschließlich aus dem Schiffsverkehr stammen.

Noch deutlich lauter ist es dort, wo Windparks in den Meeresboden gerammt werden. Nur mäßig erfolgreich sind die bisher eingesetzten Methoden, um den Lärm zu mindern. So lässt sich mit Blasenschleiern der Schallpegel um zwölf bis 15 Dezibel senken, hat Lüdemann errechnet. Dabei werden Ringschläuche auf dem Meeresboden rund um die Rammstelle ausgelegt, aus denen dichte Wolken aus Druckluft aufsteigen.

Auch andere Methoden bieten nach ersten Erkenntnissen keinen besseren Schallschutz. Daraus folgert Lüdemann, „dass die Einhaltung der Grenzwerte ausgesprochen schwierig, aber möglich ist“. Nur ist selbst das ein bisher ungelöstes Problem: Auch bei Lärm im erlaubten Rahmen werden Schweinswale im Umkreis von mindestens acht Kilometern vertrieben.

11 Jun 2013

TAGS

Nordsee
Insel
Schweinswal
Schweinswal
Konsum
Antarktis
Offshore

ARTIKEL ZUM THEMA

Das große Wal-Sterben: Gestrandet

28 Pottwale sind seit Januar an den Küsten der südlichen Nordsee umgekommen – so viele wie schon lange nicht mehr. Warum beschäftigt uns ihr Schicksal so stark?

Nazi-Vergangenheit von Fehmarn: Der Schrecken der Insel

Der Lokalhistoriker Hans-Christian Schramm will die NS-Zeit der Insel Fehmarn aufarbeiten. Manche Leute finden das Ansinnen offenbar merkwürdig.

Studie zu Lärm von Offshore-Windkraft: Heavy Metal für Schweinswale

Fünf Jahre beobachteten Wissenschaftler die Umwelt nahe eines Windparks im Meer. Jetzt gibt es Grenzwerte für den Baulärm, den Tiere erdulden.

Schweinswale in der Nordsee: Wind-Lobby stoppt Walschutz

Nach dem Protest der Offshore-Industrie gehen die Nord-Länder auf Distanz zum Lärmschutzkonzept. Darunter leiden die Schweinswale.

Globaler Fischkonsum: Ein Preis, der zum Himmel stinkt

Weltweit wächst die Nachfrage nach Fisch, erklärt die Welternährungsorganisation. Das hat auch Folgen für deutsche Verbraucher – sie müssen mehr zahlen.

Forscher über Schutzzonen in Antarktis: „Deutschland hat eine führende Rolle“

Der Meeresforscher Stefan Hain hofft darauf, dass die Schutzgebiete für die Antarktis angenommen werden. Der intakte Lebensraum sei einzigartig.

Großbritannien Offshore: Das Königreich der Windmühlen

In Großbritannien wird am Donnerstag der weltweit größte Windpark im Meer eröffnet. Nirgends wird so viel Strom vor der Küste produziert wie dort.

Mehr Schutz für Wale und Vögel: Tod im Netz

Streit um Schweinswale: Kieler Umweltministerium will Fang mit Stellnetzen begrenzen und verspricht Imagegewinn. Fischer fürchten um ihre Betriebe.