taz.de -- Selbstgestricktes bei Olympia: Maschen in Schwarz-Rot-Gold
Werner Schuster, deutscher Skisprungtrainer, trug jüngst einen handgestrickten Schal seines Sohnes. Ist das jungsgerecht?
Bei den ersten Interviews nach dem deutschen Skispringersieg wird der österreichische Trainer des deutschen Goldteams auf ein ziemlich buntes Teil in seiner Hand angesprochen: einen gestrickten Schal in schwarz-rot-goldenen Farben. Auf Nachfrage erklärt der überglückliche Coach, er trage sonst keinen Talisman, aber diesen Schal habe sein Sohn gestrickt. Das muss, wie man im Internet recherchieren kann, sein Filius Jonas gewesen sein, zehn Jahre.
Erstaunlich war aber nicht, dass der Trainer eine Sohnesgabe mit sich trug – sondern dass es ein selbst gefertigtes Stück ist, ein gestricktes obendrein. Und man fragte sich: stricken? Taten das einst nicht nur Mädchen? War das Werken mit Stricknadeln nicht antimännlich?
Jungs sind doch laut, schmutzig, rennen herum und kommen jeden Abend mit neuen Löchern in ihrer Kleidung nach Hause. Ihre Mütter, die früher im Handarbeitsunterricht gelernt haben, wie man strickt, haben alle Hände voll damit zu tun, Löcher zu stopfen oder Flicken aufzunähen.
Jungen können das nicht selber, weil die ja nicht zum Handarbeitsunterricht gehen. Sie besuchen die Fußball-AG oder schwänzen die Schule, um mit Zwillen auf Tauben zu schießen. Wenn ein Junge in einer Mädchendomäne auftaucht, bleibt seinen Mitschülern nur die Schlussfolgerung, dass er ein Sonderling ist. Die moderne Wahrheit ist: Man lehrt Jungs in Schulen das Motto: Weg von Männlichkeitsbildern à la John Wayne.
Männersache Maschenzählen
Doch die Geschichte des Strickens ist eine männliche. Die ersten Zeugnisse der Strickkunst sind Abbildungen aus der griechischen Antike. In Gräbern römischer Legionäre fand man Strümpfe mit Strickmaschen. Das Maschenzählen war bis ins 19. Jahrhundert überwiegend Männersache.
Danach gerieten Wolle und Nadel nur noch in Frauenhände – als Teil des Daseins als Heimchen am Herd. Diese patriarchalen Zeiten werden jetzt überwunden. Werner Schusters Sohn kann gut stricken. Der Schal sah zwar etwas grobwollig aus – als Talisman war er Gold wert.
18 Feb 2014
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das deutsche Skisprungteam holt Gold. Für Weißrussland siegen Darija Domraschewa im Biathlon und Anton Kuschnir im Ski-Freestyle.
Für Severin Freund ist Sotschi bisher ein Albtraum. Doch der Unerschütterliche bleibt erstaunlich cool und setzt auf den Team-Wettbewerb.
Die deutschen Frauen dominieren den Abend. Natalie Geisenberger holt das erwartete Rodel-Gold vor Tatjana Hüfner, Carina Vogt siegt in der Premiere im Skisprung.
Fünf Entscheidungen gab es am ersten Wettkampftag: Den Eisschnelllauf beherrschten die Niederländer und ein 40-jähriger Norweger überraschte alle.