taz.de -- Forschungsprojekt "Klimzug": Viel heiße Luft zum Klimawandel
Das Forschungsministerium finanziert regionale Workshops zu Anpassungsstrategien im Klimawandel. Auch in Bremen sind die Ergebnisse abstrakt geblieben.
BREMEN taz | Zum Elend von Klimakonferenzen gehört, dass die Beteiligten klare Vorstellungen über die katastrophische Zukunft haben. Bloß – sich zu einigen, was dagegen zu tun ist, funktioniert fast nie. Dieses Dauerproblem hat ein Projekt des Bundesforschungsministeriums (BMBF) mit dem neckischen Namen „Klimzug“seit 2008 in sieben deutschen Regionen lediglich auf einen kleineren Maßstab gebracht. Das belegte am Montag in Bremen die Abschlussveranstaltung der rund 11,5 Millionen Euro teuren, mit knapp 10 Millionen vom BMBF geförderten dortigen Klimzug-Ablegers namens Nordwest 2050.
Auch dort schaffte man es, keine Einigkeit herzustellen, allerdings diesmal in Sachen regionaler Anpassungsstrategien. Also in der Frage, was zu unternehmen ist, um die trockneren Sommer und feuchteren Winter, die höheren Temperaturen und häufigeren Sturmflut, Dürre und Starkregenereignissen der Zukunft auszuhalten. Und in der Frage, welche wirtschaftlichen Chancen sie bergen. Andererseits hätte die heterogene TeilnehmerInnenschar aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ohnehin nichts verbindlich beschließen können.
Und ganz unergiebig war die Sache dann doch nicht. So erscheint eine Vulnerabilitätsanalyse, sprich: eine Untersuchung, wo eine Region ihre wunden Punkte hat, ein sinnvolles Vorhaben. Doch im Detail zeigt sich mitunter, dass es auf der Arbeitsebene offenkundig Industrievertreter gut verstanden haben müssen, ihre Belange in die Modellrechnungen einzuspeisen: So kommt etwa die Milchwirtschafts-Verwundbarkeitsstudie zu dem Schluss, dass angesichts eines – reichlich hypothetischen – „zunehmenden Produktivitäts und Marktdrucks“ eine „Abkehr von der Weide und Offenstallhaltung“ als Folge des Klimawandels „wahrscheinlich“ sei.
Wieso das aus klimatisch für die Weidegraserzeugung verbesserten Bedingungen folgt, bleibt unerläutert. Am Ende steht dann der Befund, dass „der Grad der Vulnerabilität auf der Stufe der Milcherzeugung tendenziell als mittel einzustufen“ sei, und das Wörtchen „mittel“ wird gefettet.
Hauptadressat von „Klimzug“ ist die Wirtschaft: Vor fünf Jahren hatte im Rahmen des Programms das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft 1.000 deutsche UnternehmerInnen befragt, ob sie ihr Geschäftsmodell vom Klimawandel betroffen sehen. Knapp ein Drittel hatte das bejaht. Im Nordwesten hatte man dieselbe Frage 4.000 UnternehmerInnen gestellt – mit dem gleichen Ergebnis. Jetzt, fünf Jahre später, seien es sogar 38 Prozent, so der Oldenburger Wirtschaftswissenschaftler Klaus Fichter.
Doch die Innovationskraft scheint das nur wenig zu beflügeln, wie der mit 30.000 Euro dotierte „Klimaanpassungswettbewerb“ belegt. Dessen Gewinner wurden erst nach Redaktionsschluss veröffentlicht. Sicherlich waren coole Entwicklungen dabei, von vertikalen, hagelunempfindlichen Solaranlagen über im Feld Wasser regulierende Pilzkulturen bis zur Biogasanlage, die auch Zellulose verstoffwechseln kann und daher weniger auf Mais angewiesen wäre.
Doch im Finale standen sie neben öffentlich-rechtlichen Ausgleichsmaßnahmen wie der Bremerhavener Luneplate, sie standen neben belanglosen Niedlichkeiten wie der durchaus löblichen Initiative einer Biofleischerei, auch vegane, sprich CO2-optimierte Wurst zu kochen, oder gar neben Zweideutigen: Auch ein im Rahmen von Nordwest 2050 bereits mit 185.000 Euro gefördertes agrarindustrielles Forschungsprojekt eines Putenmästers aus Varrel hatte es ja in die Endrunde der letzten zehn geschafft.
Der Prototyp seines mit der Abwärme der eingepferchten Tiere und ihrer Exkremente betriebenen Kühlsystems funktioniert und hat einen Sommer lang verhindert, dass diese im Stall eins nach dem anderen verenden. Auf diese Weise kann die Fleischindustrie auch in heißen Sommern weiterhin den Klimawandel voranbringen.
24 Feb 2014
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