taz.de -- Schadenfreude nach Hoeneß-Urteil: Ein klassisches Drama
Am Ende kommt das Mitgefühl – aber erst einmal muss der verurteilte Steuerhinterzieher Hoeneß jede Menge Häme über sich ergehen lassen.
Wochen mit Hoeneß, zuletzt kein Tag ohne ihn – ein mediales Duell ist es, das griffige Schlagzeilen produziert: „Der Tor des Jahres“ (taz) heißt es, „Der Runde muss ins Eckige“ (BZ), „Richter macht ihn rein“ (Berliner Kurier), „Das Spiel ist aus“ (Hamburger Abendblatt), „Gott hinter Gittern“ (taz). Wenn etwas in den Wortspielen unverhohlen zutage tritt, dann: Schadenfreude. Das ist entlarvend.
Denn auch wenn vordergründig nur über Hoeneß geschrieben wird, zeigen sich alleine an den Schlagzeilen schon zwei sich gegenüber stehende Lager: Auf der einen Seite der – nun ja – tragische Held, einer der Weltmeisterschaften spielte, einen Flugzeugabsturz überlebte, den FC Bayern zum einzigen Verein aufbaute, der im Olymp des Fußballs spielt. Auf der anderen Seite die Schadenfreudler, also all jene, die auf Hartplätzen spielen, all jene, die keine Schlagzeilen machen, also wir.
Es muss was Besonderes an der Schadenfreude sein, etwas das offenbar den Deutschen stärker auf die Haut geschrieben ist. Nur so ist zu erklären, dass das Wort ins Englische übernommen wurde, „the schadenfreude“, und mit „le schadenfreude“ ins Französische auch. Dies obwohl es in den Sprachen schon eigene Wörter gäbe: „malicious joy“ – bösartige Freude, joie sadique – sadistische Freude. Aber nichts ist offenbar so schön und so treffend wie „Schadenfreude“, die Freude am Schaden der anderen. Und im Fall Hoeneß zergeht sie auf der Zunge: Hoeneß, gefallener Engel, hast dich über uns erhoben und jetzt musst du blechen.
Richtig erforscht ist Schadenfreude nicht. Was man weiß: Dass sie verpönt ist und zu den verwerflichsten Emotionen gehört, die ein Mensch überhaupt haben kann (so die eine Erkenntnis), obwohl sie doch Entspannung gibt (so die andere Erkenntnis). Bekannt ist zudem, dass der Teufel im Mittelalter „der Schadenfroh“ hieß und dass Schadenfreude ansteckend ist, obwohl das Phänomen der Gefühlsansteckung von Vernunft-Verfechtern abgelehnt wird.
Belohnungszentrum aktiviert
Eine der wenigen Koryphäen in Sachen Schadenfreude, der US-amerikanische Psychologieprofessor Richard Smith konnte nachweisen, dass Schadenfreude etwas mit Neid zu tun hat (was jetzt auch nicht wirklich überrascht). Außerdem wurde bei neurowissenschaftlichen Untersuchungen festgestellt, dass Neid das Schmerzzentrum im Hirn aktiviert, während bei Schadenfreude das Belohnungszentrum anspringt.
Festgestellt wurde zudem, dass alles mit dem Selbstwertgefühl der Schadenfreudler zusammenhängt. Neid macht uns klein, Schadenfreude groß. Insofern ist die ganze Bundesrepublik am Unglück von Uli Hoeneß jetzt gewachsen. Die Männer übrigens etwas mehr als die Frauen. Denn was die Forschungen noch zutage gefördert haben: Diejenigen, die das gleiche Geschlecht haben wie derjenige, der sich über die anderen erhob, dann fiel und zu Schaden kam, empfinden Schadenfreude stärker, als jene des anderen Geschlechts. Ob das alles aber so neu ist für all jene, die straßenklug sind und ihren Max und Moritz kennen, steht dahin.
Zurück zu den Überschriften der Zeitungsberichte: „Der Tor des Jahres“, „Der Runde muss ins Eckige“, „Richter macht ihn rein“, „Das Spiel ist aus“, „Gott hinter Gittern“ – sie geben das Szenario des klassischen Dramas mit Exposition, Steigerung, Wendepunkt und Kartharsis vor.
Jetzt, wo alles verloren ist, zeigt der Held, (aka Steuerhinterzieher), Einsicht, akzeptiert das Urteil geht in den Knast. Es wurde was gelernt. Und bei den Schadenfreudigen verliert die Schadenfreude ein wenig von der bissigen Kontur und nimmt dafür einen Ton mehr Mitgefühl an. Auch das ist nach Aristoteles Exkurs über die Wirkung des Dramas ganz normal. Denn die Katharsis des Helden bewirkt nach dem Prinzip der Gefühlsansteckung, auch Läuterung bei den Zuschauern.
14 Mar 2014
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